Albert Schmidt, Otto Intze und der bergische Talsperrenbau

13 Mai 2016 , Verfasst in Allgemein 

Als am 3. Juni 1893 die bereits zwei Jahre zuvor in Betrieb genommene Remscheider Eschbachtalsperre offiziell eingeweiht wurde, begann im Bergischen Land eine Epoche der Trinkwassertalsperren, deren Konstruktionsprinzipien mit dem Namen des Aachener Professors Otto Intze (1843-1904) verbunden sind. Folgerichtig wird die Remscheider Eschbach-Talsperre, als erste Trinkwassertalsperre dieser Art im Deutschen Reich, bis heute auch Intze-Talsperre  genannt. Die Bedeutung Otto Intzes liegt dabei vor allem im wissenschaftlich-ingenieurtechnischen Bereich. Die von ihm erdachte Gewichtsstaumauer mit mehreren spezifischen Merkmalen wurde für ca. vierzig Jahre richtungweisend und die Remscheider Talsperre beispielgebend für den deutschen Talsperrenbau, der sich in verschiedenen Regionen, vor allem aber im Bergischen Land sowie im sächsisch-schlesischen Bereich etablierte. Lange noch nach Intzes Tod wurden überregional von ihm geplante, vorberechnete oder auch nur angedachte Talsperrenbauwerke nach seinen Vorgaben realisiert, und als im Zweiten Weltkrieg englische Rollbomben an Möhne- und  Edersee die dortigen Sperrmauern zerstörten, zerstörten sie letztlich Werke Otto Intzes, obwohl dieser mehrere Jahre vor deren Entstehung bereits verstorben war. Da die Talsperrenprinzipien Otto Intzes zuerst im Bergischen Land umgesetzt wurden, gilt er besonders dort als der überragende Pionier des deutschen Talsperrenbaus. Diese Epoche endete in den 1930er Jahren, man ging seinerzeit dazu über, bei Talsperren bzw. Stauseen statt der Gewichtsstaumauern eher Staudämme zu verwenden. Ein schönes Beispiel dafür ist, darauf wird zurück zukommen sein, die Erweiterung der bergischen Bever-Talsperre, bei der in den 1930er Jahren statt der alten Intzestaumauer an anderer Stelle ein neuer Damm entstand.

Die erfolgreiche Ära des Talsperrenbaus nach Professor Intze ist im Bergischen Land jedoch nicht allein auf geniale ingenieurtechnische Entwicklungen beschränkt. Diese stehen vielmehr im Kontext einer historischen Situation des 19. Jahrhunderts, die gesellschaftlich, wirtschaftlich und  in besonderem Maße auch geologisch-klimatisch bedingt war. So kann der Talsperrenbau sozusagen als ein Spezialgebiet des Wasserbaus angesehen werden, der unter schwierigen Bodenverhältnissen den ansteigenden Wasserbedarf  einer wachsenden Bevölkerung und rasant erstarkenden Industrie decken musste. Die Talsperren, rein technisch gesehen, waren dabei ein Schlussstein vorangegangener Entwicklungen. Sie hatten zunächst vor allem die Aufgabe, die sehr unterschiedlichen Wasservorkommen zu regulieren und die Industrie auch in regenarmen Zeiten mit Betriebswasser zu versorgen. Dazu trat erst später die Nutzung als Trinkwasserspeicher. Im Gegensatz zur heutigen Thematisierung der Bergischen Talsperren, bei denen es zumeist um deren Freizeitwert geht, ging es damals, insbesondere an der durchaus wilden und unberechenbaren Wupper, um deren Zähmung im Sinne einer Regulierung, um Wasserbeschaffung für alle Beteiligten und die rechtliche Grundlage dafür. Im Bergischen Land stand dafür um die Wende des 19. Jahrhunderts ins 20. vor allem ein Name: Albert Schmidt (1841-1932), er beschrieb die Gesamtentwicklung mit Zeichnungen, Tabellen und Fotos 1913 zusammenhängend in der 2. Aufl. seines Buchs „Die Wupper“.

Anm. 1: Schmidt, Albert, Die Wupper, zweite vermehrte Auflage, Lennep, Verlag von Richard Schmitz, 1913

Albert Schmidts Vorfahren und die Wupper

Albert Schmidts Großvater Leopold Schmidt (1776-1851) war der eigentliche Gründer der Lenneper Baufirma Schmidt, die sich über Generationen um die Nutzbarmachung der Wupper verdient gemacht hat. Ein bestimmter Gründungstag dieser Firma ist nicht bekannt, jedoch veranschlagt Hermann Ringel in seinem Buch „Bergische Wirtschaft zwischen 1790 und 1860“ die Entstehung bereits für das Jahr 1820.

Anm. 2: Vgl. Ringel, Hermann, Bergische Wirtschaft zwischen 1790 und 1860 – Probleme der Anpassung und Eingliederung einer frühindustriellen Landschaft, o.O. gedruckte Ausgabe 1966, S.199

Leopold Schmidt kam aus Freckhausen im Oberbergischen. Er begründete sozusagen die Affinität der späteren Familie zum Wasserbau, und man sagte von ihm, er habe bei seiner Arbeit meist mit einem Fuß im Wasser gestanden. Wasser war sein Element, und es hat den Anschein, dass sein Enkel Albert Schmidt, und bis in die heutige Zeit noch weitere Bauleute und Ingenieure in der Familie, die Vorliebe für Wasserbauten von ihm erbten. Leopold Schmidt errichtete von Freckhausen aus als Unternehmer eine große Anzahl Wehrbauten und Hammerwerke an der oberen Wupper bis Beyenburg. Seit 1835 wurde die Firma von Dahlhausen  a. d. Wupper aus geführt. Ein schönes Zeugnis seines Schaffens entdeckte man im November 1990, als zum ersten Mal seit dem Anstau der modernen Wupper-Talsperre das alte Hammersteiner Wehr (Hückeswagen) trocken lag. Bei einer gründlichen Vermessung des alten Wehrs wurde eine Art Gedenkstein entdeckt, mit der nicht ganz korrekten Aufschrift: E(rbaut) von Meister Leopolt Schmidt.

Anm. 3:Die Entdeckung bei Hammerstein bei Niedrigwasser im Jahre 2009 förderte nicht nur ein gut erhaltenes Wehr zutage, sondern auch den Hinweis auf dessen Erbauer. Vgl. Hanna Koch, Auf den Spuren der Geschichte, erstellt in rp-online 16.10.2009, weiterhin Dominick, Peter, Wupperindustrie, http://www.wupperindustrie.de/

Christian Schmidt (1805-1865) übernahm die Firma 1836 in Dahlhausen. Damals wurden die dortigen Eisenhämmer der Fa. Adolf und Heinrich Bauendahl von der Lenneper Fa. Johann Wülfing & Sohn angekauft, abgebrochen und zu einer großen Tuchfabrikanlage ausgebaut. Die Bedeutung Christian Schmidts liegt insgesamt betrachtet weniger im eigentlichen Wasserbau als im Hochbau (u.a. Industriellenvillen und Kirchen), durch die Schaffung von großen Industrieanlagen, die mit der Wasserkraft der Wupper betrieben wurden, jedoch letztlich wieder auch im Wasserbau. Zu nennen sind hier neben seinen Bauten in Lennep, Klaswipper, Ronsdorf und Bliedinghausen vor allem die Wupperfabriken in Dahlhausen, Dahlerau, Friedrichstal, Krebsöge und Vogelsmühle. In Wilhelmstal und Dahlhausen arbeitete Christian Schmidt um 1860 mit dem Architekten Julius Thomas aus Neuss zusammen, dessen Baupläne er vor Ort als ausführender Architekt umsetzte, für Dahlerau wurden die grundsätzlichen  Pläne von Schmidts Freckhauser Jugendfreund Christian Heyden (1803-1869) gefertigt, die Christian Schmidt ebenfalls eigenverantwortlich realisierte, bis ab 1858 nach und nach der noch sehr junge Sohn Albert Schmidt die ausführende und später auch planende Gesamtregie übernahm. Selbstverständlich wurden in diesen Zusammenhängen auch alte Wupperwehre verändert, erneuert und neue Wasserkraftanlagen geschaffen.

Christian Schmidt starb nur 60jährig im Jahre 1865 an den Folgen eines Bauunfalls. Obwohl er gemessen an der damaligen Zeit so etwas wie ein Großunternehmer war, der neben dem eigentlichen Baugeschäft auch eine Zimmerei und eine Ziegelei betrieb, ist über ihn in der heutigen Öffentlichkeit weit weniger bekannt als bezüglich seines Sohnes Albert, der vor allem auch in Lennep selbst, bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung im letzten Drittel des 19. Jh., sehr viele Bauten errichtet hat. In so manchen spezielleren Abhandlungen der Heimatgeschichte jedoch, die nach und nach in den sog. Wupperorten erschienen und bis heute erscheinen, lebt auch Christian Schmidt wieder auf. So heißt es z.B. in einem 2005 verfassten Aufsatz über „Die alte Wupperbrücke an der Schlossfabrik“ in Hückeswagen, dass mit dem Abriss und Neubau die Lenneper Maurermeister Christian Schmidt und Wilhelm Blass beauftragt wurden. „Die Bauarbeiten begannen im Mai 1855, und im Januar 1856 konnte die neue Zweifelderbogenbrücke bereits durch den Königlichen Kreisbaumeister Laur aus Lennep abgenommen werden“. Bei diesem für Lennep und den Kreis Lennep bedeutsamen Kreisbaumeister verbrachte auch Albert Schmidt seine erste Lehrzeit, bevor er u.a. zur Baugewerkschule Holzminden wechselte, an der auch Otto Intze eine Zeit lang unterrichtete.

Anm. 4: Vgl.: Krumm, Hella, Die alte Wupperbrücke an der Schlossfabrik. In: Leiw Heukeshoven. Beiträge zur Geschichte der Stadt Hückeswagen, Herausgegeben vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Hückeswagen, Heft 44, 2005, S. 102f. – Entgegen dieser Angabe war Baumeister Christian Schmidt nicht mit einem offiziellen Meistertitel versehen. Als ein solcher im 19. Jh. zur Führung eines Baugeschäfts notwendig wurde, stellte er auch Meister ein, im vorliegenden Fall den Lenneper Meister Wilhelm Blass.

Die Bergischen Talsperren und ihre Voraussetzungen

Die Literatur zum Talsperrenwesen in Deutschland ist heute umfangreich. Neben Aufsatz- und Buchveröffentlichungen zu technischen Aspekten und Bildbänden über regionale Entwicklungen findet man auch Zusammenstellungen von Verwaltungen, Interessensgemeinschaften und Verbänden, die den unterschiedlichsten Zwecken dienen, auch der Werbung unter dem Gesichtspunkt der Freizeitgestaltung. Der Begriff Talsperre wird dabei oft sehr weit verstanden und umfasst auch Stauseen oder befestigte Teiche.

Historisch gesehen entstanden die ersten europäischen Talsperren bereits im 13. Jh., in Deutschland Neben den sog. Oderteichen, die im Harz im 16. bzw. 17. Jh. durch das Absperren ganzer Waldtäler gebildet wurden, und die zunächst dem Bergbau dienten, war insbesondere die belgische Gileppe-Talsperre ein Vorbild für den deutschen Talsperrenbau. Ihre ursprüngliche Mauer war Europas älteste Beton-Staumauer und als solche auch ein Vorläufer der sog. Gewichtsstaumauern Intzes. Sie wurde durch den belgischen König im Jahre 1878 eingeweiht. Ihre ursprüngliche Bestimmung war die Regulierung der Brauchwassermengen für die Textilindustrie bei Verviers.

Baumeister Albert Schmidt war zusammen mit dem Tuchindustriellen Fritz Hardt und dem Lenneper Maschinenfabrikanten Fritz Haas bereits knapp zwanzig Jahre vor dem Bau der Bevertalsperre (1896-1898) nach Verviers gereist. Damals interessierte die neue Talsperre allerdings nur nebenbei, der eigentliche Reisegrund waren die Spinnereibetriebe im Hinblick auf die Errichtung der Kammgarnspinnerei in Lennep. Verviers war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein weltweit bekannt als Zentrum des Wollhandels und der Textilindustrie. Albert Schmidt kommt in seinen Erinnerungen auf diese Vorgeschichte mehrfach zurück. Damals war es in Deutschland aufgrund fehlender rechtlicher Freigaben noch nicht möglich, Talsperren zu bauen, und die Preußischen Behörden waren auch später bei der Errichtung der neuen Sperren immer noch skeptisch und hielten sich mit Genehmigungen zurück. Kein Wunder also, dass der Bau der neuen Talsperrenmauern nach dem Intze-Prinzip (s.u.) von der Obrigkeit mit Misstrauen beobachtet wurde. Nach Albert Schmidt gab es sogar bewusst negativ gestaltete Berichte an die Behörden. Albert Schmidt erkannte dies früh und unterlief die Bestimmungen bei der Errichtung von Deutschland zweitältester Trinkwassersperre, der Lenneper Panzer-Talsperre. Diese war sozusagen in ihrer ersten Version im Jahre 1893 schon fertig, als die offizielle behördliche Genehmigung endlich eintraf.

Heute umfasst die Anzahl der Bergischen Talsperren mehr Einheiten als zur Zeit von Otto Intze und Albert Schmidt, da auch nach dem 2. Weltkrieg hier noch neue Talsperren angelegt wurden, z.B. die Große Dhünn -Talsperre und die Wupper-Talsperre, die mit Albert Schmidt ggf. Einiges, aber mit Otto Intze kaum noch etwas zu tun haben. Darum ist es wichtig, für den hier vorliegenden Zweck zu definieren, um welche Art von Talsperren es in dem Zeitraum von ca.1890 bis zum 1. Weltkrieg, und schlussendlich bis zum Anfang der 1930er Jahre geht. Dieser Zeitraum ist im Bergischen Talsperrenbau ausschließlich mit den sog. Intze-Mauern verbunden. Nach Intzes  Prinzipien wurden im Bergischen Land bis zum 1. Weltkrieg außer der bereits genannten die Bever- (1896-1898) die Lingese- (1897-1899), die Ronsdorfer (1898-1899), die Barmer (1898-1900), die Solinger (1900-1902), die Neye-Talsperre (1909-1909) sowie schließlich die Brucher-Talperre (1912-1914) erstellt.  In einem gegenwärtigen Werk über „Talsperren im Bergischen Land und Sauerland“ werden einschließlich der gerade aufgezählten für die heutige Zeit einundzwanzig bergische Talsperren genannt.

Anm. 5: Klaes, Holger, Blossey, Hans, Schmoeckel, Gisela, Talsperren im Bergischen Land und im Sauerland, Bergischer Verlag, Remscheid, 1. Auflage 2012, S.6. Vgl. auch Schmidt, Albert, Das Bergische Land als Geburtsstätte des deutschen Talsperrenbaus, in: Bergische Heimat, Ronsdorf : Scholl, H. 3 (1927).

Diese entstanden z.T. später, beruhten nur noch teilweise auf den ursprünglichen Intzeprinzipien oder ersetzten zeitgemäß die Intze-Mauern durch eine moderne Dammkonstruktion. Dieser Prozess ist wie erwähnt  gut am Beispiel der Bevertalsperre bei Hückeswagen nachzuvollziehen, bei der in den Jahren 1935-1938 anlässlich einer Erweiterung die alte Intze-Mauer eingerissen und an anderer Stelle ein neuer Erddamm auf Betonsockel errichtet wurde.

Die Industriellenfamilie Hardt und der Talsperrenbau

In einer „Liste der aufgeführten Hochbauten zwischen 1865 und 1902“ erinnert sich Albert Schmidt an die Anfänge seines Wirkens und die geschäftlichen Beziehungen zu seinen großen Auftraggebern. Im Gegensatz zur Lenneper Fa. Schürmann & Schröder, für die er an der Wupper ebenfalls viele Bauten erstellte, wird den Firmen Joh. Wülfing & Sohn bzw. später Hardt-Pocorny ein ausgesprochen gutes Zeugnis ausgestellt. Ihnen musste man nicht die Arbeiter aufs Kontor schicken, um die vertragsgemäßen Lohngelder zu erhalten. In seinen letzten Erinnerungen aus dem Sterbejahr 1932 schreibt Albert Schmidt: „während der 45jährigen geschäftlichen Tätigkeit waren der Großvater und der Vater des jetzigen Oberhaupts der Familie Fritz Hardt die besten Geschäftsfreunde, die ich haben konnte. Ich hatte immer das Gefühl, sie werden Dir helfen, wenn es nötig ist“. In unserem Zusammenhang ist insbesondere der von 1844 bis 1906 lebende Fritz Hardt wichtig. Das Verhältnis zu Albert Schmidt war ausgesprochen positiv, er besuchte den Baumeister mit seinen Hunden an der Lenneper Knusthöhe jeden Morgen schon um sechs Uhr in dessen Büro, bevor man kurz nach acht mit dem Zug zu den Betrieben und Baustellen an der Wupper fuhr. Albert Schmidt erinnert sich auch speziell daran, wie es mit der Umsetzung der Talsperrenidee ernst wurde: „Im Frühjahr 1896 sollte ich die Ausführung der Bevertalsperre übernehmen, ein Bauobjekt von 700.000 Mark. Ich wollte eigentlich nicht, aber man wünschte es, da ich ja acht Jahre lang für das Zustandekommen der Talsperrenbauten gearbeitet hatte und ich volles Vertrauen beim Baukomitee genoss. Um jedes Bedenken wegen der großen Bausumme zu verdrängen, ging Fritz Hardt zur Volksbank und übernahm einen Kredit für mich über 150.000 Mark“. Bei dem Ankauf der Grundstücke für die Bever-Talsperre übernahm dann Fritz Hardt die für die Talsperre nicht notwendigen Reste. Er hat sie dann zu seinem „Jagdgut Höh“ auf einer Halbinsel des Talsperrenbeckens verwertet. „Fritz Hardt hat für das Zustandekommen der Wuppertalsperren-Genossenschaft Großes geleistet, er stellte immer seine Geldmittel und seinen Einfluss zur Verfügung, um alle Schwierigkeiten und Hindernisse zu beseitigen“.

Anm. 6: Entsprechende Passagen sind abgedruckt in: Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt, Kap. VIII Erinnerungen an Theodor Pocorny, die Familie Fritz Hardt, Landrat Königs sowie Professor Heinrich Möller aus Charlottenburg, S.55-71.

Schon vor dem Bau der ersten Talsperren im Bergischen Land hatte Albert Schmidt zahlreiche Wasserbauten ausgeführt, berechnet und geplant: In nachfolgender Aufstellung hat er in seinen Erinnerungen seine wasserbautechnischen Ausführungen und Projekte selbst zusammengestellt:

Anm. 7: Ebda. Heute in: Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt,  S. 121

Gutachten, Wasserleitung, Kanalisation in Lennep, ausgeführt 1883 durch Disselhoff und Stübben (1882), Stollenanlage Panzertal, Lennep, Talsperre (1885), Vorbecken und Talsperrenerweiterung , Lennep (1904/05), Bevertalsperre, Hückeswagen (1896-1899) Wasserleitungen in Dahlhausen und Dahlerau (1880-90), Wasserleitung in Beyenburg (1894),Wassserleitung in Klausen (1895),  Wasserleitung in Burg a.d. Wupper (1896, 1903), Turbinenanlagen in Dahlhausen(1867), Dahlerau (1869), Vogelsmühle (1880), Hammerstein  (1886) und Müngsten (1896), Wehrbauten in Beyenburg

(1891), Müngsten (1892) sowie Leichlingen, Römer (1893), Bergisches Elektrizitätswerk Müngsten (1896), Elektrizitätswerk Schlenke einschließlich Turbinenanlage und Kanälen (1899) und Gräben sowie Turbinenanlage in Krebsoege (1901).

Otto Intze und Albert Schmidt

Der Aachener Professor Otto Intze (1843-1904) lehrte an seiner Hochschule die Fächer Baukonstruktion, Wasserbau und Baustofflehre. Er machte in den Gebieten Wassertechnik und Wasserbau mehrere heute nach ihm benannte Erfindungen. Auf seine Ideen vor allem geht es zurück, in dazu geeigneten Regionen vermehrt Talsperren zur Wasserversorgung und zum Hochwasserschutz zu bauen und damit im Interesse besserer Wirtschaftlichkeit die Stromgewinnung zu verbinden. Im Bereich Talsperrenbau schuf er nicht nur die maßgeblichen wissenschaftlich–technischen Grundlagen, sondern er setzte diese in vielen Fällen persönlich auch praktisch jeweils vor Ort um. In den 1890er Jahren leitete er im Rheinland und in Westfalen die Planung von 16 Talsperren. In den Jahren 1889 bis 1891 erstellte Prof. Intze für Remscheid mit der Eschbachtalsperre die erste deutsche Trinkwassertalsperre, es folgte im Bergischen Land dann die wissenschaftliche Begutachtung der von Albert Schmidt konzipierten Panzer-Talsperre in Lennep. Die Bauvorhaben bei Talsperren waren bereits um 1890 zahlenmäßig so angestiegen, dass Intze sich vor Ort jeweils durch einen Ingenieur vertreten ließ und nur noch zu wichtigen Besprechungen erschien. Die auf seinen Konzepten beruhende Bauphase im Bergischen Land und im Sauerland war im Wesentlichen zwei Jahre nach seinem Tod abgeschlossen. Prof. Intze starb im Jahre 1904. Diese Talsperrenbauphase war insbesondere durch das sog. Intze-Prinzip gekennzeichnet. Eine nach diesem Prinzip errichtete Talsperre hatte knapp zehn spezielle Merkmale, von denen hier nur vier genannt werden sollen: es handelte sich um eine sog. Gewichtsstaumauer mit einem nahezu dreieckförmigen Querschnitt, die Mauer bestand aus einem Bruchsteinmauerwerk mit hohem Mörtelanteil, hatte einen bogenförmigen Grundriss, und sie besaß auf der Wasserseite eine Anschüttung aus Lehm, den sog. Intze-Keil. Nach dem Intze-Prinzip wurden in Deutschland insgesamt über 40 Talsperren errichtet, die letzte in Sachsen um 1933. Die wenigen auch in unserer Gegenwart noch erstellten Gewichtsstaumauern richten sich nicht nach den ursprünglichen Prinzipien Otto Intzes, und die jetzigen Restauriermöglichkeiten der originalen Intzemauern werden sehr gegensätzlich diskutiert, jedoch überwiegend positiv beurteilt.


Die Ära der ersten Talsperren im Bergischen Land ist sicherlich zu Recht vor allem mit dem Namen Professor Otto Intze verbunden, zu Recht nennt man diesen bis heute den Pionier des Deutschen Talsperrenbaus. Im Jahr 1893 ernannte die Stadt Remscheid Intze zum Ehrenbürger. 1902 verlieh ihm die Technische Hochschule Dresden die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E.h.). Im Folgenden werden wir uns mit einer weiteren Persönlichkeit beschäftigen, die ebenfalls im Blick auf den heimischen Talsperrenbau zum Königlichen Baurat ernannt wurde, mehrere technische Patente hielt und Träger mehrerer preußischer Orden war, sie wurde ähnlich wie Otto Intze ein Vorkämpfer des deutschen Talsperrenbaus und Vater der bergischen Talsperren genannt.

Anm. 8:  Die Palette der Bezeichnungen Albert Schmidt ist umfangreich und reicht in der Presse vom Vorkämpfer des deutschen Talsperrenbaus  über den Bezwinger der Wupper bis zum Pionier der Wasserwirtschaft. Überschriften wie Als Talsperren noch Zukunftsmusik waren verweisen auf die die Bedeutung Schmidts und sogar seine unvollendeten Planungen wurden mit Überschriften wie Was wäre wenn – ins Bild gerückt und mit modernen Fotomontagen veranschaulicht. Vgl. hier Abb. 25).

Es ist der Lenneper Baumeister, Architekt und Ingenieur Albert Schmidt. Nach den wissenschaftlich-technischen Prinzipien Otto Intzes plante und erstellte er 1891-1893 die zweite deutsche Trinkwassersperre, die Panzer-Talsperre oder auch Lenneper Talsperre in seiner Heimatstadt, wobei Otto Intze seine Planungen nur noch begutachtete, er erweiterte diese Talsperre zusammen mit seinem Sohn Arthur Schmidt im Jahre 1905, nach den Intzeprinzipien plante er die Bever-Talsperre selbständig und führte sämtliche Arbeiten als Generalunternehmer durch, als Ingenieur plante er im Alter auch die Brucher-Talsperre (1912-14), spielte bei der Entstehung der späteren Agger-Talsperre eine Rolle und gilt sogar als Vorbereiter der heutigen Wupper-Talsperre. Seine auch überregionale Projekte betreffenden Talsperrenideen verbreitete Albert Schmidt in mehreren Denkschriften. Trotz seiner Wichtigkeit im Bereich Talsperrenbau liegt seine Bedeutung nicht nur hier, sondern allgemein in seinen Überlegungen zur Wasserregulierung der bergischen Bäche und Flüsse sowie deren Nutzbarmachung für die Industrie. Dies führte ihn u.a. auch zur Planung moderner Pumpspeicher(kraft)werke.

Anm. 9: Albert Schmidt beschäftigte sich schon im Jahre 1917 mit der Idee eines hydraulischen Akkumulators, die Bezeichnung Pumpspeicher(kraft)werk gab es noch nicht. Über die Dahlerauer Familie Goldenberg, mit der Albert Schmidt über zwei Generationen beruflich und persönlich verbunden war, könnten seine Ideen sogar an Arthur Koepchen gelangt sein, der 1927-1930 das später nach ihm benannte Pumpspeicherwerk am Hengsteysee realisierte. Vgl. https://www.lennep.eu/albert-schmidt-der-super-gau-und-das-kopchenwerk/

In seinen Erinnerungen kommt Albert Schmidt immer wieder auf seine Arbeit mit Otto Intze zurück. In mehreren Zusammenhängen wird beschrieben, wie durch die Vermittlung der Industriellenfamilie Hardt in Lennep und der Pulverfabrikanten Cramer & Buchholz (Crommenohl, Rönsahl und Lennep) Otto Intze auf Albert Schmidts langjährige Wassermessungen im Wuppergebiet aufmerksam gemacht wurde.

Anm. 10: Z.B. in Der Wasserbau in meiner geschäftlichen Tätigkeit  in: Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt, bes. S.117 ff.

Man war sich bald darüber einig, im gesamten Wuppergebiet Talsperren anzulegen und erhoffte sich dabei, soviel Wasserkräfte am ganzen Wupperlauf gewinnen, dass die Kosten der Talsperrenanlagen durch die Beiträge der Interessenten getilgt werden könnten. Da es aber unmöglich war, die Besitzer der ca. 130 Triebwerke an der Wupper zu einigen, so musste erst das Genossenschaftsgesetz von 1891 geschaffen werden, wodurch die Minderheit gezwungen werden konnte, der Genossenschaft beizutreten, wenn sie nachweislich Nutzen von der Anlage hatten. Otto Intze benutzte Albert Schmidts graphische Darstellungen der Wupperabflüsse, um durch Vorträge nachzuweisen, welchen Nutzen die Talsperren für die Mitglieder und die Allgemeinheit haben würden. Er war dabei so geschickt, dass die Mehrheit der Interessenten beschloss, eine Talsperre im Bevertal und eine im Lingesetal anzulegen. Um die Vorhaben durchsetzen zu können, mussten natürlich auch die politischen Gremien bis nach Berlin über die Talsperrenidee unterrichtet werden. Dies geschah vor allem durch die Gutachten und Schriften von Otto Intze und Albert Schmidt. Auf Veranlassung des Landrates Königs hatte Albert Schmidt für die maßgebende Sitzung des Abgeordnetenhauses in Berlin dem Referenten eine Rede ausgearbeitet, und das Gesetz wurde sodann beschlossen. Für weitere Vorträge, die Prof. Intze, einmal in Gegenwart des Kaisers, zu halten hatte, wurden ebenfalls Albert Schmidts Ausarbeitungen zugrunde gelegt. Noch am 25. April 1904 schrieb Intze an den Lenneper Baumeister, dieser möchte ihm doch seine Beobachtungen über die durch Sickerung bei den Talsperren abfließenden Wassermengen mitteilen, da er beabsichtigte, eine Broschüre darüber zu schreiben. Dazu kam er allerdings nicht mehr, da er wenige Monate später überraschend starb.

Anm. 11: Ebda. S. 120. Die von Albert Schmidts privat zusammengestellte Schrift Der Wasserbau in meiner geschäftlichen Tätigkeit  (Lennep Dez. 1913) enthält u.a. Abschriften seines Schriftverkehrs. Das Exemplar mit den originalen Briefen gilt als verschollen.

Landrat Königs, ein Talsperrenkomitee und die Wuppergenossenschaft

Albert Schmidt kommt in verschiedenen Zusammenhängen mehrmals auf den damaligen Landrat des Kreises Lennep, Richard Königs (1853-1923), zurück, der schon zu seiner Zeit als ein Hauptförderer der Talsperrenwesens  im Bergischen Land angesehen wurde und es meisterhaft verstand, alle behördlichen Schwierigkeiten bei der Einführung von neuen gemeinnützigen Planungen zu überwinden. Bis 1888 durften Talsperren in Deutschland nicht errichtet werden, weil die Baubehörden an der gesicherten Standfähigkeit dieser Bauten zweifelten. Heute weiß man, dass diese Zweifel nicht  unbegründet waren. Im Herbst 1887 entstand nun die Idee, im oberen Wuppergebiet den Betrieb der Pulvermühlen durch die Anlage eines großen Sammelteichs zu verbessern. Es bildete sich zunächst unter dem Vorsitz von Landrat Königs ein Komitee, dessen Aufgabe es war, durch Vorträge und Schriften die Bevölkerung, die Beteiligten und die Behörden über den positiven Sinn des Vorhabens aufzuklären. Man kann durchaus behaupten, dass die Bildung dieses Baukomitees die Geburtsstunde des Talsperrenbaus nicht nur im Bergischen Land, sondern im Deutschen Reich gewesen ist. Insbesondere durch die Klugheit und Zähigkeit des Landrats Richard Königs, der von 1882 bis 1899 in Lennep wirkte und später als Oberregierungsrat nach Düsseldorf wechselte, kam es dann am 19. Mai 1891 zu einem Genossenschaftsgesetz. Aufgrund dessen wurde dann die Wuppertalsperren-Genossenschaft im Dezember 1895 gegründet. Für den Beistand bei der Überwindung der Schwierigkeiten hat Albert Schmidt dem Landrat immer wieder gedankt.

Anm. 12: Ebda, bes. S.70f.

Die Entstehung der Bever-Talsperre

Bereits vor der Erstellung der Bever-Talsperre hatte Albert Schmidt schon die Lenneper Panzer-Talsperre ausgeführt, die in einem kleinen Heft beschrieben wurde, dessen Erlös dem von ihm mitbegründeten Bürgerverein in Lennep zugutekam.

Die Bedeutung Alberts Schmidts beim Talsperrenbau im Bergischen Land lässt sich am besten am Beispiel der Bever-Talsperre bei Hückeswagen beschreiben, denn hier zeigt sich nicht nur die Einheit von ingenieurmäßiger Planung und unternehmerischer Durchführung, sondern das ganze Netzwerk ganz unterschiedlicher Verantwortlichkeiten und Interessen in Verwaltung, Wirtschaft und Handwerk. Als am 8. Oktober des Jahres 1898 bei Hückeswagen die Bever-Talsperre eingeweiht wurde, wurden für die geladenen Gäste spezielle Tischkarten hergestellt. Neben manch poetischem Beiwerk wie Wassergeist und Nixe enthielt die schön gezeichnete Karte gut erkennbar als Motiv die damals neue Beverstaumauer. Begonnen hatte alles mit einer Verabredung durch fünf historisch bis heute wichtige Personen. Dieses Planungsquintett bestand aus dem Bürgermeister Hagenkötter aus Neuhückeswagen, dem Industriellen Fritz Hardt, dem inzwischen berühmten Prof. Intze, dem Landrat des Kreises Lennep, Richard Königs, und natürlich dem Architekten und Ingenieur Albert Schmidt. Wir folgen hier der Entwicklung aus dem Blickwinkel des letzteren, niedergeschrieben in seinen geschäftlichen und persönlichen Erinnerungen, die als Typoskript beim Stadtarchiv und der Stadtbibliothek Remscheid vorliegen, und die zusammenhängend bis heute nicht vollständig veröffentlicht sind.

Wie immer waren bei Albert Schmidt geschäftliche Aufträge und familiäre Aktivitäten nur wenig trennbar: Am Ostersonntag 1888 begeisterten sich seine Familienmitglieder an der neuen Idee, im Gebiet der oberen Wupper eine Talsperre zu errichten. Die Kaffeegesellschaft begab sich daraufhin mit dem Postbus dorthin, wobei Albert Schmidt mithilfe einer Flasche Kognak vorausschauend das Terrain nivellierte. Rund acht Jahre später dann wurde die Idee zu einer Bever-Talsperre konkret, und zwar mit der Unterstützung der Lenneper Unternehmerfamilie Hardt, in deren Auftrag die Familie Schmidt seit Jahrzehnten Fabrikbauten an der Wupper errichtet hatte. Der erste Spatenstich erfolgte im Dezember 1895, am 8. Oktober 1898 wurde das Bauwerk schließlich eingeweiht. Rund fünfzehn Jahre zuvor hatte Albert Schmidt als Generalunternehmer für die Familie Hardt in der Kreisstadt Lennep bereits die Kammgarnspinnerei errichtet.

Die Erinnerungen Albert Schmidts zur praktischen Ausführung des Bauvorhabens Bevertalsperre sind die umfänglichsten und detailliertesten bei ihm überhaupt.

Anm. 13: Die detaillierteste Variante mit Plänen, Skizzen und (wenigen) Fotos findet sich in Albert Schmidts Erinnerungen an die berufliche und geschäftliche Tätigkeit Bd. 3, Lennep 1924, Typoskript, Kopie, Stadtarchiv Remscheid Sign. N 28, 3. Vgl. weiterhin: ders., Der Wasserbau in meiner geschäftlichen Tätigkeit, ursprünglich Privatdruck, abgedruckt in: Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt, S.113-121.

Sie übertreffen in der Ausführlichkeit auch die Ausführungen zur Errichtung der Kammgarnspinnerei in Lennep. Die Rolle des Baumeisters beim Gesamtvorhaben war vielfältig. Es ist klar, dass er mit seiner eigenen Firma nur Ausschnitte bewältigen konnte. Schmidt konkurrierte u.a. gegen die Frankfurter Großfirma Philipp Holzmann und erhielt schließlich den Zuschlag. Seine Tätigkeit war auf Wunsch der Verantwortlichen und insbesondere der Familie Hardt wie zuvor bei der Kammgarnspinnerei 1880 die eines Gesamtkoordinators und Gesamtunternehmers. Anlage- und Betriebskosten, Maschinen und Arbeitslöhne mussten für drei Jahre Bauzeit im Voraus kalkuliert werden. Alle finanziellen Abwicklungen gingen über Albert Schmidt, selbst die Bewirtung von Besuchern und der Festgäste bei der Eröffnung. Diese Rolle hat ihn nach eigener Bekundung unter dem Strich so belastet, dass er die ihm angetragene gleiche Aufgabe beim Bau der Barmer Talsperre im Herbringhauser Tal später ablehnte. Immer wieder gab es nach seinen Aufzeichnungen Schwierigkeiten mit dem amtierenden Regierungsbaumeister, weiterhin musste man sich mit dem Vertreter Prof. Intzes abstimmen, und zahlreiche Poliere und Subunternehmer wie Schachtmeister, Lokomotivführer und Fuhrunternehmer waren anzuwerben, zu koordinieren und zu bezahlen. Albert Schmidt hatte dafür selbst im ersten Baujahr zur Unterstützung auch einen Ingenieur als Vertreter eingestellt. Es kam auch zu einer Dissonanz zwischen Albert Schmidt und Otto Intze, da sich bei Schmidt die Erkenntnis durchsetzte, dass Intze seine empirisch festgestellten Wasserabflussmessungen nicht gänzlich, sondern nur ausschnittsweise für die Planung berücksichtigt hatte. Dieser Fehler sollte dann bei den kommenden Projekten Brucher- und Lingese-Talsperre vermieden werden. Albert Schmidts Beschreibung des Baus der Bever-Talsperre beinhaltet sehr viele weitere interessante Aspekte, wie z.B. den der italienischen Gastarbeiter, den Einsatz einer Kraftzentrale und, modern ausgedrückt, geleasten Lokomobilen. Es handelte sich ja insgesamt um eine Großbaustelle mit zeitweise über 300 Beschäftigen. Prof. Intze kam nur bei Festlichkeiten, oder wenn es galt, Minister über die Mauer zu geleiten. Am 8. Oktober 1898 wurde die Bever-Talsperre eingeweiht und die Herren Richard Königs, Prof. Intze, Fritz Hardt und Albert Schmidt erhielten die ihrem Stand und ihrer Funktion jeweils entsprechenden preußischen Orden.

Wenn wir heute allerdings von der Bevertalsperre sprechen, und dies meist unter dem Gesichtspunkt des Freizeitvergnügens, dann meinen wir nicht die gerade geschilderte, sondern die neue Bever-Talsperre, die am 14. Juni 1938 eingeweiht wurde. Sie hat keine Intze-Sperrmauer mehr, sondern wird durch einen Damm gestaut. Zur Schaffung eines wesentlich größeren Staubeckens wurde die alte Bruchsteinmauer in mehreren Etappen gesprengt und eingerissen, so dass das Wasser im nun größeren Becken ungehindert fließen kann.

Anm. 14: Die z.T. sehr detaillierten Aufzeichnungen Albert Schmidts zur Entstehung der Bevertalsperre finden sich in den Erinnerungen an meine berufliche Tätigkeit. Der dritte Band umfasst unter dem Gesamttitel „Wasserbau“ Aufzeichnungen zu den „Wuppertalsperren“ und zur „Erweiterung der Bevertalsperre“. Sign. Stadtarchiv Remscheid: N 28, Nachlass Albert Schmidt, Lenneper Baumeister, Bd.3. Das Typoskript wurde bisher nur in Auszügen veröffentlicht. Vgl. auch Schmidt, Wilhelm R., Albert Schmidt und die Entstehung der Bevertalsperre“. Vortrag aus dem Jahre 2008, veröffentlicht unter https://www.ub.uni-koeln.de/e50/e26544/e7140/e2104/e2556/e15969/Bevertalperre_ger.pdf


Sperrmauern versus Dämme

Der Talsperrenbau unter den Prinzipien Otto Intzes hatte Vorbilder in Frankreich und Belgien gehabt und war insbesondere in Gegenden mit eingeschnittenen Bachtälern sinnvoll. Im weiteren Verlauf der deutschen Talsperrengeschichte wurden dann fast ausschließlich Dämme errichtet, auch weil die Intze -Talsperren bestimmte, grundsätzliche und konstruktionsbedingte Nachteile aufwiesen, z.B. hatte man bei den Gewichtsstaumauern die Auftriebskraft des Wassers unterschätzt.

Anm. 15: Bereits 1926 spricht einer von Intzes Schülern offen über einen grundsätzlichen Geburtsfehler: Die Gefahr, dass eine Schwergewichtsmauer schon bei geringfügiger Wasserunterspülung  ins Gleiten geraten könne, sei damals „nicht immer genügend erkannt“ worden. Heute versucht man bei der Restaurierung der historischen Mauern, diesem Fehler durch Drainage und mit meterdicken, vorgesetzten Betonverstärkungen entgegenzuwirken. Vgl. dazu: http://www.talsperrenkomitee.de/pdf/talsperrensymposium_2004/V_08.PDF

Albert Schmidt war später zudem der Meinung, dass Prof. Intze seine Berechnungen des Wasseraufkommens nicht immer richtig interpretiert habe, was zu einer zu schnelleren Auslastung der Bauwerke geführt habe. Ein lebendiges Zeugnis für den Übergang der Gewichtsstaumauer zur Dammlösung ist, wie bereits erwähnt, die Errichtung des noch heute bestehenden Staudamms der „neuen“ Bevertalsperre. Obwohl Albert Schmidt in die Entwicklung des neuen Beverstaudamms einbezogen war, schätzte er diese Lösung nicht und bevorzugte stattdessen die Errichtung einer weiteren Intzetalsperre im Wiebachtal, und er plante diese sogar in Grundzügen. Die Errichtung des Beverdamms hat er persönlich nicht mehr erlebt. Albert Schmidt wandte übrigens das Staudammprinzip selbst schon sehr früh, im Jahre 1907, also knapp zehn Jahre nach seiner Erstellung der Beverstaumauer, bei einer Planung für eine Wasser- und Stromgewinnungsanlage in der Deutschen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika an. Dort sollte nach seinen Plänen im Osten des sog. Caprivi-Zipfels der aus Angola kommende Fluss Cuando oder Kwando gestaut werden.

Anm. 16: Schmidt, Albert, Eine Talsperre im Kwandotal, Deutsch-Südwestafrika. Lennep 1907, privat gedruckte Denkschrift, 8 S. mit 2 handkolorierten Karten von Deutsch-Südwestafrika  bzw. dem Kwandogebiet. Ein Exemplar auch im Nationalarchiv Windhoek sowie im Deutschen Bundesarchiv. Enthalten in: Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt, S.130-134.

Der Erste Weltkrieg verhinderte dann diese Pläne ebenso wie die bereits von ihm entworfene Erhöhung der ersten Beverstaumauer vor Ort und die Schaffung einer Wiebach-Talsperre, die nie gebaut wurde und sozusagen herabgestuft als Vorsperre ein Teil der heutigen großen Wupper-Talsperre ist.

Anm. 17: Drei von Albert Schmidt angefertigte kolorierte graphische Darstellungen sind im Original in der Lennepsammlung beim Autor dieses Aufsatzes erhalten, vgl. auch Abb. 27 am Ende dieses Beitrags

Albert Schmidt und „Die Wupper“

Albert Schmidts bekannte Schrift über Die Wupper erschien zunächst in den Jahren 1902 /1903. Die heute meist zitierte erweiterte zweite Auflage stammt aus dem Jahr 1913 und beinhaltet einen knapp gehaltenen Text von etwas mehr als 100 Seiten. Das Werk erschien wie alle anderen Veröffentlichungen des Verfassers bei der in der Kreisstadt Lennep ansässigen Buchhandlung Richard Schmitz. Sie umfasst Messtabellen des Wupperstandes, graphische Darstellungen zu Planungen und auch einige Fotografien aus bereits realisierten Talsperrenprojekten. Das Werk gilt als Pionierschrift des bergischen Talsperrenbaus. Durch seine Jahrzehnte andauernde Niederschlagsmessungen im künftigen Talsperrengebiet hatte Schmidt  Aussagen über die notwendige Fassungsgröße der späteren Bauwerke ermöglicht. Durch seine Messungen fand er empirische gestützte Grundsätze, die es ihm ermöglichten, das Eintreten und die Höhe einer Wupperflut vorherzusagen. Albert Schmidt maß meteorologisch eigentlich überall, zuhause im Garten an der Lenneper Knusthöhe, aber vor allem an der Wupper, insbesondere an dem von seinen Vorfahren errichteten Dahlhauser Wehr, wo er bereits ab 1881 täglich die Abflussmengen ermitteln ließ. Diese Messungen erwiesen sich später bei der Umsetzung der Talsperrenidee als besonders wertvoll, weil die exakt erhobenen Wasserverhältnisse eine wesentliche Grundlage der technischen Konzeption jeder Talsperre darstellen. Otto Intze und Albert Schmidt werden aufgrund ihrer Zusammenarbeit bis heute zu Recht zusammen als die Väter der Bergischen Talsperren bezeichnet. Alberts Schmidts Schrift über Die Wupper, von ihrer Entstehung im Oberbergischen bei Marienheide bis zur Mündung in den Rhein in Leverkusen, schildert den „schwarzen Fluss“ u.a. als durch die Industrialisierung extrem verseuchtes Gewässer und entwickelt Methoden seiner biologischen Reinigung durch sog. Rieselfelder. Insofern wird der Autor heute nicht nur als Kenner der damaligen Verhältnisse bezeichnet, sondern er kann auch als ein früher Alternativer  gelten, zumal er sich stark für die Landwirtschaft und die „Wiederbewaldung“ einsetzte.

Anm. 18: Im Zusammenhang der „Schlussbetrachtung“ seines Buches Die Wupper (S. 105) heißt es: „Vor allem haben die Firma Joh. Wülfing & Sohn, der verstorbene Kommerzienrat Arnold Hardt und Herr Kommerzienrat Fritz Hardt in Lennep große Flächen zur Wiederbewaldung erworben und teilweise sehr schöne Waldpartien geschaffen“.

Bürgermeister Hagenkötter aus Neuhückeswagen und die Zeitschrift „Die Thalsperre“

Ein weiterer wichtiger Mann bei der Entstehung der Bevertalsperre und für den Talsperrenbau in Deutschland überhaupt war der Hückeswagener Bürgermeister Hagenkötter. Zeitweilig Vorsteher der Wuppertalsperren-Genossenschaft, veröffentlichte er die überregionale Zeitschrift Die Thalsperre, die den Untertitel „Zeitschrift für Wasserwirtschaft, Meliorationswesen und allgemeine Landeskultur“ trug. Die enthaltenen Aufsätze und Kurzbeiträge beschäftigten sich mit der Errichtung mehrerer Talsperren im Bergischen Land und anderswo, aber auch mit Grundwasserableitungen in Gebirgsgegenden und Wasseranlagen zum Schutz vor Hochwasserkatastrophen. Albert Schmidt verfasste allein rund 20 Beiträge für die Zeitschrift, die in den Jahren 1902 bis 1911 in Neuhückeswagen erschien, u.a. werden hier damals aktuelle Messungen der Wasserabflüsse der Bever- und Lingese-Talsperren wiedergegeben. Weiterhin enthält sie Albert Schmidts Beiträge zur Entstehung des Elektrizitätswerks Schlenke, des Bergischen Elektrizitätswerks Müngsten und weitere wasserwirtschaftliche Aufsätze. Über die Bibliotheken der früheren Rheinpreußischen Hauptstadt Koblenz und die Vorgänger des heutigen Bundesumweltamtes in Berlin, an die Albert Schmidt die Zeitschrift sowie seine neuesten Messungen regelmäßig sandte, konnte im Jahre 2000 nachträglich ein Gesamtdigitalisat der Zeitschrift erstellt werden, das heute über die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main im Internet öffentlich bereitgestellt ist.

Anm. 19: Die Talsperre (Die Thalsperre) (Wasserwirtschaft und Wasserrecht) : Zeitschrift für Wasserwirtschaft, Meliorationswesen und allgemeine Landeskultur

Aus der Gesamtmenge wurden weiterhin speziell die Beiträge Albert Schmidts für eine spezielle Veröffentlichung herausgezogen. Sie beschäftigen sich weit überwiegend mit den wasserbaulichen Problemen des Bergischen Landes. Die Zeitschrift Die Thalsperre konnte nach 1911 nicht weitergeführt werden, sie zeigt uns aber heute noch, wie vielfältig im Bergischen Land die Aktivitäten im Bereich Talsperrenbau waren.

Anm. 20: Wilhelm R. Schmidt (Hrsg.) Albert Schmidt, 1841-1932: Kleinere Veröffentlichungen in der Zeitschrift “Die Thalsperre” aus den Jahren 1902 – 1911 (s. Lit.-Verz.). Vollständige Wiedergabe der Zeitschrift in: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/docId/15437  Vgl. Ruland, Peter, „Weiße Kohle“ im Aggertal, Teil 1


Albert Schmidt und die Aggertalsperre

Nicht alle Ideen und Überlegungen Albert Schmidts bzw. deren Ausarbeitungen in Denkschriften sind bis heute erhalten oder publiziert. Manches findet man in regional einschlägigen Archiven, auch z.B. in der Form von Korrespondenz und Auftragsgutachten, die der Lenneper für weitere Planungen fertigte. Im April 2014 erschien der Bd. 11 der Beiträge zur Oberbergischen Geschichte in Gummersbach. Er enthält u.a. den ersten Teil eines Aufsatzes von Peter Ruland aus Engelskirchen, der sich seit langer Zeit mit dem Thema Elektrizität aus Wasserkraft, der „Weißen Kohle“ speziell im Aggertal, beschäftigt. Zu Beginn des Aufsatzes heißt es: „Die Reisenden, die mit dem Regionalexpress von Köln nach Gummersbach durch das Aggertal fahren, treffen zum ersten Mal bei Ehreshoven auf die baulichen Überbleibsel eines durchdachten Systems markanter Wasserbauten in der Agger“.

Anm. 21  Vgl. Ruland, Peter, „Weiße Kohle“ im Aggertal, Teil 1
http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/docld/15437

Ihre Entstehung verdanken sie dem rasanten Wachstum der heimischen Industrie zum Ende des 19. Jahrhunderts. Was aber hat die von Peter Ruland unter Hinzuziehung zahlreicher historischer Dokumente erstellte Arbeit mit Albert Schmidt zu tun? Die prekäre Versorgungssituation der heimischen Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg bewirkte, dass sich Experten wie Albert Schmidt erneut Gedanken über die Nutzung der heimischen Wasserkräfte machten. Als Ergebnis seiner Überlegungen präsentierte er 1917 eine auf langjährigen Messungen basierte Studie, in der er die wasserwirtschaftliche Nutzung des gesamten Aggergebietes bis Lohmar eingehend untersucht. Leitend war die Idee, dass das Hochwasser und alle Niederschläge aufgespeichert und während der niederschlagsarmen Zeit kontrolliert in die Agger abgeben werden sollten. Diese Untersuchungen, die im Wesentlichen die spätere Planung weitgehend vorweg nahm, übergab er dem Fabrikanten Bernhard Krawinkel. Mit den präzise ausgearbeiteten Vorschlägen stieß Schmidt, der mit einem Gutachten 1904 erste Pläne einer Talsperre mit Kraftwerk wegen ausbleibender Rentabilität zu Fall brachte (!), dreizehn Jahre später die Diskussion um die Nutzung der Aggerwasserkräfte und ihrer Nebenflüsse wieder an. Nicht zuletzt über den genannten Industriellen als seinerzeit wichtigstem Politiker des Aggertales, der über gemeinsame Projekte einschließlich seiner Familie mit Albert Schmidt seit langem freundschaftlich verbunden war, erfüllte sich später in den Jahren 1927-1929 dieser „Jahrhundertplan“, und zwar auch und vor allem deshalb, weil es damals aufgrund dramatisch gestiegener Kosten bei der Kohlenproduktion galt, mittels heimischer Wasserkraft Kohlen zu sparen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Bei der jetzigen Aufarbeitung der hier nur kurz zu erwähnenden  Entwicklung stellte sich einmal mehr heraus, dass die durch den Engelskirchener Autor gewonnenen Erkenntnisse nicht nur auf verwaltungsmäßigen oberbergischen Archivalien, z.B. auf Gutachten des Lenneper Baumeisters, sondern in erheblichem Maße auch auf dessen persönlichen Erinnerungen beruhen, die bisher gar nicht oder nur ausschnittsweise veröffentlicht sind, einschließlich der vielen eigenhändigen Pläne und Skizzen, die Albert Schmidt wie auch im vorliegenden Fall seinen Texten stets beigab.

Anm. 22: Vgl. Albert Schmidts Erinnerungen an die berufliche und geschäftliche Tätigkeit Bd. 5, Lennep 1924, Typoskript, Kopie, Stadtarchiv Remscheid Sign. N 28, 5. Ausführlich werden die Projekte im Ahr- und Aggergebiet geschildert.

Sie belegen u.a. eindrucksvoll, dass der Lenneper Talsperrenspezialist weit davon entfernt war, im engeren Sinne nur Baumeister und Bauarchitekt zu sein. Vielmehr waren seine Planungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg vor allem energiewirtschaftlich, elektrotechnisch sowie betriebs- und volkswirtschaftlich motiviert und begründet.


Eine Rückschau – Albert Schmidts Wassertechnische Bauten und Projekte

Albert Schmidts meteorologische und Wasserbeobachtungen waren durch Veröffentlichungen und Vorträge allmählich sehr bekannt geworden, und er wurde deshalb zu wassertechnischen und wasserwirtschaftlichen Fragen von allen möglichen Seiten zu Rate gezogen. Durch die Erstellung von Turbinenanlagen an den Fabriken, Wasserleitungsanlagen und Wehrbauten entwickelten sich Albert Schmidts wassertechnische Kenntnisse weiter, und es war natürlich, dass er nach Aufgabe des Baugeschäfts am 31. Dez. 1902 die Wasserbautechnik als Hauptbeschäftigung für sein Technisches Büro in Lennep wählte.

In der Zeit ab 1903 bis zu seinem Tod im Jahre 1932 versuchte Albert Schmidt durch Artikel in Zeitungen, Broschüren und Gutachten darauf hinzuwirken, dass im Wuppergebiet weitere neue Talsperren erbaut würden. So erstellte er z.B. für Barmen ein Vorprojekt mit Gutachten und Kostenberechnung für eine Talsperre im Kerspetal, die 1908-1912 dann errichtet wurde. Sodann eine Projektierung und Kostenberechnungen für die Erhöhung und Vergrößerung der Bever-Talsperre für die Wuppertalsperren-Genossenschaft, außerdem Projekte für drei Ausgleichsweiher im Wupperlauf. Eine der letzten Arbeiten betrifft ein Projekt zur Ausnutzung neuer Wasserkraftanlagen im unteren Wupperlauf unterhalb Elberfelds. An drei Stellen, an denen sich stillliegende oder ungenügend genutzte Wassergefälle fanden, sollten große Kraftzentralen zur Verwendung der künftigen Elektrisierung des bergischen Eisenbahnnetzes geschaffen werden.  Die hier von Albert Schmidt aufgeführten wasserbaulichen Tätigkeiten sind allerdings nicht vollzählig wiedergegeben. Da die Zusammenstellung vom Autor bereits 1913 abgeschlossen wurde, fehlen z.B. spätere Arbeiten zur Brucher-, Lingese- und geplanten Wiebach-Talsperre ebenso wie seine späteren Projektierungen im Bereich Agger, im Rurtal und weiteres mehr.

Diese Erkenntnis kann Anlass sein, die einzelnen wasserbaulichen Schriften Albert Schmidt einmal im Zusammenhang zu veröffentlichen, denn seine umfangreichen privaten Darstellungen sind oft nicht Teil seiner allgemeinen Erinnerungen und größtenteils ungedruckt.

Abbildungen

Abb.1)

Otto Intze (1843-1904), Bauingenieur, lehrte als Professor für Wasserbau, Baukonstruktion und Baustofflehre an der Technischen Hochschule Aachen. Er gilt als Pionier des deutschen Talsperrenbaus. Holzstich nach einer Farblithographie von 1898.

Abb.2)

Albert Schmidt (1841-1932), Baumeister, Architekt, Ingenieur aus Lennep (Rheinl.). Der spätere Kgl. Baurat erstellte neben Privat- und Industriebauten mehrere bergische Talsperren. Er wurde als Bezwinger der Wupper und Vater der Bergischen Talsperren bekannt.

Abb. 3)

Das 2009 wiederentdeckte Wehr bei Hammerstein (Hückeswagen) lockt bei Niedrigstwasser in der heutigen Wupper-Talsperre viele Besucher an. Zahlreiche Stauwehre dieser Art, früher auch als Schlachten bezeichnet, wurden an der Wupper von Vorfahren Albert Schmidts erstellt.

Abb. 4)

Die Inschrift des Wehrs bei Hammerstein lautet: (E)rbaut von Meister Leopolt Schmidt. Das Wehr entstand um 1835, als sich schon der Sohn Christian Schmidt mit Wupperwehrbauten beschäftigte. Wie damals das angestaute Wasser genutzt wurde, ist nicht bekannt.

Abb. 5)

An den Wupperorten arbeitete Christian Schmidt zumeist aufgrund von Projektierungen des Barmer Baumeisters Christian Heyden. Dieser fertige 1856 z.B. diesen Concessionsplan zu einem Staubett bei kleinem Wasser auf der Schlacht zu Dahlerau zum Betrieb der Tuchfabrik der Herren Joh. Wülfing & Sohn in Lennep

Abb. 6)

Schon 1854 legte Christian Heyden einen Plan zu Einbau einer doppelt wirkenden Turbine für die Tuchfabrik Joh. Wülfing & Sohn in Dahlerau vor. Die Zusammenarbeit mit der Baumeisterfamilie Schmidt (Leopold. Christian und Albert Schmidt), die wie Christian Heyden aus dem oberbergischen Freckhausen stammte, währte mehrere Jahrzehnte.

Abb. 7)

Die Wupperbrücke an der Schlossfabrik in Hückeswagen, erstellt vom Lenneper Bauunternehmer Christian Schmidt, in heutiger Zeit. Die Stahlrohrgeländer der in Grauwackenaturstein gearbeiteten Doppelbogenbrücke stammen noch aus der Erbauungszeit.

Abb. 8)

Die Villa Poststraße 5 (Daniel Hilger, später Fritz Hardt) in Lennep erstellte Christian Schmidt um 1857/58. Aufgrund eines Bauunfalls musste er damals schon seinem Sohn Albert einbinden. Dieser führte dabei hier wie bei den Industriebauten in Dahlerau den Rheinischen Backsteinbau ein.

Abb. 9)

Friedrich Hardt (1844-1906) aus der Lenneper Tuchdynastie führte mit Albert Schmidt in den Fabriken die Elektrizität ein, förderte nachhaltig die Talsperrenbewegung und erwarb im Bevertal z.B. dafür die Grundstücke. Er zeigte sich sehr volksnah und finanzierte mehrere Lenneper Vereine mit.

Abb. 10)

Nachruf der Wuppertalsperren-Genossenschaft auf  Kommerzienrat Fritz Hardt (1844 -1906) aus Lennep. Er war über Jahrzehnte ein politischer und wirtschaftlicher Förderer der bergischen Talsperrenbewegung. Z.B. kaufte er für die Genossenschaft die Grundstücke zur Errichtung der Bever-Talsperre an.

Abb. 11)

Ein Jahr vor seinem Tod 1904 verfasste Otto Intze eine Zusammenfassung der „Entwicklung des Thalsperrenbaus in Rheinland & Westfalen“ mit zahlreichen Skizzen und Fotos. Der Erfinder und Praktiker hatte es inzwischen zum Dr. ing. und Professor in Aachen gebracht.

Abb. 12)

Am Beispiel der Möhnetalsperre, deren Bau vier Jahre nach Intzes Tod im Jahre 1908 begonnen wurde, sieht man auch hier seine Prinzipien verwirklicht. Die Gewichtsstaumauer ist durch ein Bruchsteinmauerwerk geschützt, und gut erkennbar ist der sog. Intze-Keil.

Abb. 13)

Bereits zwei Jahre vor dem Tod Fritz Hardts verstarb auch Otto Intze (1843-1904), dem seine Verdienste im Wasserbauwesen zahlreiche Titel und Ehrungen eingebracht hatten, in Remscheid wurde er wegen der dortigen Errichtung der ersten Trinkwassertalsperre Deutschlands durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts geehrt.

Abb. 14)

Otto Intze benötigte für seine Talsperrenwerbung immer wieder Albert Schmidts Aufzeichnungen der Wupperhochfluten, u.a. forderte er die Beobachtungen der Wupperhochflut vom 24. November 1890 an. Das historische Foto zeigt die genannte Hochflut an der heutigen Friedrich-Engels-Allee in Wuppertal.

Abb. 15)

Albert Schmidts langjährige Aufzeichnungen der Wupperwassermengen waren seinerzeit für das gesamte Wuppergebiet einschließlich der großen Städte wichtig. In seinem Buch „Die Wupper“ sind die Tabellen für den Industriestandort Dahlhausen in der Zeit zwischen 1882 und 1902 wiedergegeben.

Abb. 16)

Mit Landrat Richard Königs (1853-1921) arbeiteten Albert Schmidt und Friedrich Hardt oft und gerne zusammen. Er war die Schnittstelle zur höheren öffentlichen Verwaltung. Wirtschaft und Verwaltung trafen sich gern im Haus der Lenneper Kaufmannsgesellschaft, wo 1882 auch dieses Bild entstand.

Abb. 17)

Die Tischkarte zum Einweihungsfest der Bever-Talsperre am 8. Oktober 1898 zeigt die neue Intze-Sperrmauer in einem romantischen Naturumfeld mit Wassernixen und Mühlrad sowie die neue, wesentlich erweiterte Restauration des Wirtes Friedrich Langenberg.

Abb.18)

Die erste Version der Beversperre war von Albert Schmidt nach den Berechnungen Intzes gestaltet. Als Schmidt sah, dass jährlich Millionen Kubikmeter nutzlos abflossen, regte er bereits im Jahre 1912 eine Erweiterung an und dachte dabei zunächst ebenfalls an eine Gewichtsstaumauer.

Abb. 19)

Als im Jahre 1938 die Erweiterung der Bever-Talsperre Wirklichkeit geworden war, bestand die Absperrung aus einem modernen Damm. Er begrenzte die damals größte Talsperre des Bergischen Landes. 1939 wurde die Einweihung mit nationalsozialistischem Pomp gefeiert

Abb. 20)

Werbung für Albert Schmidts Hauptwerk „Die Wupper“ im Lenneper Kreisblatt um 1905. Diese Version des Buches aus dem Jahre 1902 wurde in der Lenneper Buchhandlung Richard Schmitz verlegt, die damals auch einen Verlag sowie eine Druckerei umfasste.

Abb. 21)

Im Wülfingmuseum in Dahlerau erfährt der Besucher, wie sehr Albert Schmidt im 19. Jh. die Bautätigkeit im Tal der Wupper prägte. Die Ausstellung erinnert u.a. an den Übergang zum Rheinischen Backsteinbau und die Schaffung von Elektrizität für die Produktion sowie für die Stadt Lennep.

Abb. 22)

Die Zeitschrift „Wasserwirtschaft und Wasserrecht“ bzw. „Die Thalsperre“ existierte nur in den Jahren 1902-1911.  Sie wurde vom Vorsteher der damaligen Wuppertalsperren-Genossenschaft, dem Hückeswagener Bürgermeister Hagenkötter herausgegeben.

Abb. 23)

In der Zeitschrift „Die Thalsperre“ veröffentlichte Albert Schmidt regionale und überregionale Beiträge. Der Verfasser dieses Beitrags ließ die verstreuten Hefte integriert digitalisieren und öffentlich bereitstellen: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/15437

Abb. 24)

Albert Schmidt, Skizze einer Talsperrenanlage im oberen Aggertal. Aufgrund der Bekanntschaft mit der Industrieellenfamilie Krawinkel plante er auch hier und meinte, was sich 1904 seiner Ansicht nach nicht lohnte, sollte sich nach dem 1. Weltkrieg als gewinnbringend erweisen. Wenn auch nicht mehr mit ihm – die Agger-Talsperre wurde in den Jahren 1927-1929 errichtet.

Abb. 25)

Aufgrund des 1. Weltkrieges wurden zahlreiche Projektierungen Albert Schmidt später nicht mehr verwirklicht, z.B. eine Talsperre an der Wupper oberhalb der Fabrik zu Hammerstein (Hückeswagen). Aufgrund der Skizzen  Schmidts ließ Peter Dominick im Jahre 2003 die Planung in einer modernen Fotomontage wieder auferstehen.

Abb. 26)

Mehrere Werbeschriften Alberts Schmidt sind auch heute noch erhalten. Die „Technischen Träume aus dem Ahrtale“ übersandte er seinerzeit u.a. an den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, woraus sich ein Schriftwechsel entwickelte.

Abb. 27)

Als sich Albert Schmidt Ende 1902 offiziell zur Ruhe setzte, beschäftigte er sich fast ausschließlich nur noch mit dem Thema Wasserbau, z.B. mit der Konzeption der 1912/1913 noch nach den Intzeprinzipien erstellten Bruchertalsperre.

Abb. 28)

Nach der Erhöhung der Sperrmauer der Lenneper Panzer-Talsperre im Jahre 1905 verfasste Albert Schmidt, der bei diesem Vorhaben als offizieller Ruheständler doch federführend war, mehrere Schriften zu den Lenneper Wasserverhältnissen.

Abb. 29)

Noch 1930 skizzierte Albert Schmidt eine Wiebachtalsperre. Das Bauwerk wurde allerdings niemals realisiert. Die jetzige Wuppertalsperre, auf deren Gesamtgebiet Albert Schmidts Vorfahren so viele Wasserbauwerke errichteten, kennt heute immerhin eine Wiebach-Vorsperre, drei Kilometer nördlich von Hückeswagen.

 

Herkunftsangabe der Abb.

Sofern unten nicht anders angegeben, stammen die Abb. aus dem Lenneparchiv des Verfassers Dr. Wilhelm R. Schmidt

Abb.   1)   Wikipedia

Abb.   5)   Tuchmuseum Remscheid-Lennep

Abb.   6)   Tuchmuseum Remscheid-Lennep

Abb. 12)   Ruhrverband, Essen,

Abb. 14)   Stadtarchiv / Fotoarchiv Wuppertal

Abb. 19)   Archiv Berg. Zeitgeschichte e.V.

Abb. 21)   Wülfingmuseum Dahlerau

Abb. 25)   Copyright Peter Dominick

 

Literatur

 

Vorbemerkung

Alle Zitate Alberts Schmidt werden, sofern nicht anders vermerkt, nach folgender Ausgabe angegeben: Schmidt, Wilhelm R. (Hrsg.), Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt (1841-1932) – Ein Leben in der Bergischen Kreisstadt Lennep, Gießen und Frankfurt a.M., 2000 (s.u.)

Battenfeld, Beate, Pumpen, Speichern, verteilen – Relikte früher Wasserversorgung. Hrsg. vom bergischen Geschichtsverein. Abteilung Solingen, Solingen 2004

Battenfeld, Beate, Die Ziegelindustrie im bergischen Land – Ein wirtschaftshistorischer Beitrag zur Architekturgeschichte und Denkmalpflege. Hrsg. vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Solingen e.V,, Solingen 1998

Dominick, Peter, Zur Wupperindustrie und den Talsperrenbau sowie Albert Schmidt vgl. auch: http://www.wupperindustrie.de/kontakt.html

Dominick, Peter, Albert Schmidt, seine nie vollendeten Projekte und unbekannte Tätigkeiten der Unternehmerfamilie. Privatdruck, Mai 2003

Intze, Otto, Entwicklung des Thalsperrenbaues in Rheinland und Westfalen bis 1903, La Ruelle’sche Accidenzdruckerei (1903).

Klaes, Holger, Blossey, Hans, Schmoeckel, Gisela, Talsperren im Bergischen Land und im Sauerland, Bergischer Verlag, Remscheid, 1. Auflage 2012

Möller, Michael, Was wäre wenn – ins Bild gerückt. Das Lenneper Tuchmuseum zeigt in Fotomontagen nicht verwirklichte Projekt-Pläne von Albert Schmidt. In: Bergische Morgenpost, 13. Mai 2003

Krumm, Hella, Die alte Wupperbrücke an der Schlossfabrik. In: Leiw Heukeshoven. Beiträge zur Geschichte der Satdt Hückeswagen. Herausgegeben vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Hückeswagen, H. 44, 2005, S. 102f. (zu Christian Schmidt)

Ruland, Peter, Frühe Talsperrenpläne im Kreis Gummersbach. Über Albert Schmidt  S.146 ff. (Gutachten über das Projekt  einer Wasserkraftanlage an der Agger bei Gummersbach vom 31.05.1904)

Ruland, Peter, Weiße Kohle“ im Aggertal (Teil 1) – Der Wasserwirtschaftsplan des ehemaligen Kreises Gummersbach. In: Beiträge zur Oberbergischen Geschichte Bd.11, Gummersbach 2014, S.94-119

Schmidt, Albert

Die selbständig erschienenen Bücher Albert Schmidts sind vor allem in NRW-Bibliotheken noch vorhanden. die Aufsätze und Berichte in Fachzeitschriften jedoch meist nur in Spezialbibliotheken, z.B. im Umweltbundesamt. Die im Privatdruck produzierten Schriften sowie die in handschriftlicher bzw. Typoskriptform vorhandenen Erinnerungen liegen in unterschiedlichen Fassungen bei der Familie vor.

Schmidt, Albert, Lebenserinnerungen, Erinnerungen an die berufliche und geschäftliche Tätigkeit Bd. 1-6, Lennep 1924, Typoskript, Kopie, Stadtarchiv Remscheid Sign. N 28, 1-6.

Schmidt, Albert, Lebenserinnerungen, Familienerinnerungen, Typoskript, Kopie, Stadtarchiv Remscheid, Sign. N 28, 7ff.

Schmidt, Albert, Das Bergische Land als die Geburtsstätte des deutschen Talsperrenbaus, in Bergische Heimat, Ronsdorf : Scholl, H.3, 1927

Schmidt, Albert, Der Wasserbau in meiner geschäftlichen Tätigkeit. Den Kindern und Enkeln gewidmet von Albert Schmidt, Privatausgabe (Druckwerke, Typoskripte, Handschriftliches) mit zahlr. vom Autor angefertigten Skizzen, Lennep, im Dezember 1913.

Schmidt, Wilhelm R. (Hrsg.), Albert Schmidt – Baumeister, Ingenieur, Architekt (1841-1932) – Ein Leben in der Bergischen Kreisstadt Lennep, Gießen und Frankfurt a.M., 2000, Privatdruck.

Albert Schmidt. Gemeinfreie Digitalausgabe Univ.-Bibliothek Frankfurt am Main, 2005. urn:nbn:de:hebis:30-15812. Das Werk enthält eine ausführliche Primär- und Sekundärbibliographie Albert Schmidts einschließlich seiner privat gedruckten Denkschriften und Vortragsthemen. Es erschien im Jahre 2008 gekürzt, aber ebenfalls mit der Bibliographie, als Buchausgabe im Sutton Verlag, Erfurt, unter dem Titel Albert-Schmidt – Ein bergischer Baumeister. ISBN:978-3-86680-400-5

Schmidt, Wilhelm R. (Hrsg.)

Albert Schmidt, 1841-1932: Kleinere Veröffentlichungen in der Zeitschrift “Die Thalsperre” aus den Jahren 1902 – 1911 / Albert Schmidt. Seinerzeit hrsg. vom Bürgermeister Hagenkötter in Neuhückeswagen, Vorsteher der Wuppertalsperren-Genossenschaft, neu zsgest. u. hrsg. von Wilhelm Richard Schmidt, Gießen u.a. : Schmidt, 2002 (Ausdruck auf Anfrage)

150 Jahre Bauunternehmung Schmidt .  Fünf Generationen im Bauwesen tätig. Firmenschrift, Lennep 1970. Druck : Paul Hartgen, Remscheid-Lennep

Völkel, Wolfgang / Schorl, Norman, Die Bevertalsperre. Sutton Verlag, Erfurt, Reihe Archivbilder, 2007

Wiethege, Dieter, Talsperren im Sauerland und Bergischen Land, 4. Aufl., Meinerzhagen, 1991

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