Jetzt naht sie wieder, die Advents- und Weihnachtszeit, in den Häusern werden die Vorbereitungen für das Fest getroffen, und viele Leute denken daran, wie et fröher war. Den ganz Alten ist wahrscheinlich noch Peter Roseggers Weihnachtsgeschichte bekannt, mit dem Titel Als ich Christtagsfreude holen ging. Sie war lange Zeit in vielen Schulbüchern und fast jedem Weihnachtsbuch abgedruckt, aber die dort geschilderten Erlebnisse eines zwölfjährigen Jungen in Österreich sind nun auch schon über 100 Jahre alt und für uns Heutige kaum noch verständlich. Eher schon erinnern sich manche Leute noch an die Zeit der Kriegsweihnacht in den 1940er Jahren, das Bild der Söhne in Uniform auf dem bescheidenen Gabentisch, und hoffentlich noch ohne schwarzes Band.
Neben einem derartigen Foto fand ich in meinem Lenneparchiv auch einen Beleg dafür, dass die Weihnachtszeit auch schon 1930 nicht nur ein Fest der christlichen Freude, sondern auch der Lenneper Geschäfte war. Um erneut „einen Beweis ihrer Leistungsfähigkeit zu geben“, veranstalteten die Geschäfte vom 14. bis 21. Dezember die Großen Weihnachts-Werbetage. Eindringlich hieß es schon damals, als man noch nicht an Outlet Center außerhalb des Städtchens dachte: „Besuchen Sie für Ihre Weihnachtseinkäufe die Lenneper Geschäfte, Sie werden sich überzeugen, dass Sie dort reell und preiswert bedient werden. Auch in Bezug auf die Auswahl sind die Lenneper Geschäfte denen der Großstädte durchaus ebenbürtig.“ In einem der großen Schaufenster der zentral gelegenen Haushaltswarenfirma Heinrich Kühner an der Schwelmer Straße Ecke Bachstraße, die dort schon seit 1850 mit Eisen- und Glaswaren handelte, hatten ca. 40 Lenneper Einzelhändler kleinere Präsente ausgestellt, die durch eine Verlosung an die Käufer kamen, sicherlich für die mitmachenden Geschäftsleute der damaligen Werbegemeinschaft nicht nur eine gute Tat, sondern vor allem ein gute Werbung. Unter den Geschäftsleuten findet man so manche Firma, die heute noch besteht bzw. solche, von denen die meisten von uns noch gehört haben wie z.B. Feinkost Josef Johnen am Markt, die Buchhandlung Richard Schmitz in der Wetterauer Straße, Daniel Witscher in der Kölner Straße, schon damals bekannt für Tapeten, Farben und Lacke. Auch die Firma Euler am Alten Markt kennt man noch und kauft vielleicht sogar bei ihr. Heute wohl nicht mehr bekannt ist sicherlich die Herd- und Ofenhandlung der Gebrüder Bauerband an der so nicht mehr existenten Poststraße 1, deren Nachfolger die Firma Adolf Liesenthal war, die sich ab 1937 nach dem Umzug in die Kölner Straße zeitgemäß lieber Liesendahl nannte, und natürlich beim wirklich jüdischen Schuhhaus Rosenbaum im ehemaligen Lenneper Wachhaus gegenüber Johnen (heute Pizzeria Daunia). Die Familienmitglieder wurden allesamt Opfer der nationalsozialistischen Deportation in östliche Vernichtungslager.
In der Vorweihnacht des Jahres 1911 stellte sich die seinerzeit bedeutende Bekleidungsfirma Klasing & Baumann unterhalb des Kölner Hofs in einer Zeitungsdoppelseite dar, dort, wo heute eine Drogeriekette residiert. Auch im Blick auf das weitere Kaufhaus in Solingen bezeichnete man sich damals als das Erste Modenhaus des Bergischen Landes und als Haus der guten Qualitäten. Die beigegebene gezeichnete Idealansicht ließ das Lenneper Geschäftshaus wie damals üblich wesentlich größer erscheinen als es wirklich war, ähnlich wie bei den Idealansichten der Maschinenfabrik Haas, der Feilenfabrik Carl Offermann oder bei der Firma Wender &Dürholt in der nicht weit entfernten Wupperstraße. Beim Großen Weihnachtsverkauf erhielt auf Wunsch jeder Kunde einen schönen Abreißkalender für das Jahr 1912 gratis. Für heutige Verhältnisse ist bemerkenswert, dass nicht nur an allen Sonntagen im Dezember geöffnet war, sondern am Heiligabend auch bis Abends. Schwere Sportmäntel vom Typ Ulster für Herren und Jünglinge in englischem Genre kosteten damals 13 Mark fünfzig. Vor dem wenige Jahre später beginnenden Ersten Weltkrieg war die Reichsmark noch etwas wert.
Als im Jahre 1976 der Remscheider General-Anzeiger seinen achtzigsten Geburtstag feierte, warb er vor Weihnachten für seine 24-seitige vierfarbige Wochen-Illustrierte „Prisma“, die ab dem 1. Januar 1977 erscheinen sollte. In einer vierseitigen Sonderpublikation druckte man dabei Anzeigen und Annoncen aus verschieden Zeiten ab, u.a. auch mit Bezug zu Lennep, wobei sich der RGA als die älteste Lenneper Tagezeitung bezeichnete, was insofern nicht falsch ist, als ja das bereits seit 1830 bestehende Kreisblatt dem ganzen Kreis Lennep gewidmet war. Wichtige aktuelle Ereignisse wurden besonders hervorgehoben. So hieß es beispielsweise im Blick auf das Jahr 1887: „Wie die Zeitung von gut unterrichteter Seite hört, steht hier die Gründung einer Fahrradfabrik bevor. Die Vorarbeiten für die Inbetriebsetzung des Werkes, für welches das frühere Spinnereigebäude zu Diepmannsbach erworben worden ist, sind bereits im Gange. Die Einführung dieses in hiesiger Gegend bisher nicht vertretenen Industriezweiges ist sehr erfreulich und wünschen wir dem neuen Unternehmen guten Erfolg“. Später dann hieß es zum Thema: „In unserer neuen Velozipedfabrik sind auch etwas 20 Baiern eingezogen, die nach alter Väter Weise gut raufa und saufa können. Einer dieser Burschen hat aber am letzten Sonntag den Beweis geliefert, dass er außer dem inneren Nass auch eine gute Portion „äußerlich“ vertragen kann. Selbiger war eine Wette um ein paar Maßerl eingegangen, den Weiher in Tocksiepermühle zweimal ohne Pause zu durchschwimmen, und er erledigte diese Aufgabe nur zu gut und schlug auf der Tour noch verschiedene Purzelbäume. Dem verwegenen Landsmann von der Isar gebührt für dies Bravourstückchen bei schlechter Witterung ein gut gemeintes Wohl bekomms“. Ein blumengeschmücktes großes Fahrrad aus eigenen Produktion erhielt später übrigens als Hauptgeldgeber der Fabrikant Fritz Hardt zusammen mit seiner Gemahlin zu silbernen Hochzeit. Allerdings kam die Lenneper Fahrradfabrik nie aus den roten Zahlen heraus.
Noch ein anderes Thema bewegte in dieser Zeit in Lennep die bürgerlichen Gemüter. In den Sälen des Berliner Hofs bzw. von Richard Neveling an der Schwelmer Straße wurde ein Komitee zur Errichtung eines Kaiser-Friedrich-Denkmals gegründet. Der sog. 99-Tage-Kaiser Friedrich III. galt lange Zeit als liberale Hoffnung Preußens und des Deutschen Kaiserreiches nach 1871. Er starb schwer krank im Jahre 1888, die Erwartungen aber an eine nie erfolgte liberale Regentschaft äußerten sich noch lange Zeit, von seinem Kaiserlichen Nachfolger i.ü. eher misstrauisch beobachtet, in dem Bestreben, ihm Denkmäler und Plätze zu widmen. So wurde auch in Lennep ein Denkmalfonds gegründet und eine Kaiser-Friedrich-Halle angedacht, in der alle Einrichtungen zur Förderung des Lenneper Volkswohls Platz finden sollten, eine Art Bürgerhaus oder wie man damals sagte Volkshalle für kulturelle und sportliche Veranstaltungen, u.a. auch mit einer Bibliothek zur Bekämpfung der Schundliteratur. Da als ein geeigneter Platz dafür der spätere Jahnplatz an der katholischen Volksschule angesehen wurde, wurde diese Örtlichkeit für eine gewisse Zeit Kaiser-Friedrich-Platz genannt. Der Platz war seinerzeit noch nicht lange aufgeschüttet und planiert. Früher sammelte sich hier bei der Drahtmühle, die direkt hinter der (alten) katholischen Volksschule lag, der Lenneper Unrat in Erdkuhlen, bereits vorher, auf dem Grundstück der späteren Lenneper Badeanstalt, gab es den sog. Schlammteich. Die Abwässer der Stadt vereinigten dort bis zur Anlage einer modernen Kanalisation im Jahre 1883, als auch eine moderne Trinkwasserleitung entstand, zu einem dicken Brei, der über den Lenneper Grundbach und zusätzliche Flößrinnen parallel zur Mühlenstraße abgeführt wurde. Selbst im Hochsommer noch benutzten die Schüler die immer glitschigen Rinnen als Rutschbahn, und das bei bester Gesundheit, zumindest ist nichts anderes überliefert.
Auf diesem Lenneper Jahnplatz zwischen der Mühlenstraße, der Straße Am Stadion und der Wupperstraße habe ich selbst noch die Lenneper Kirmes erlebt, bevor sie auf den heutigen Kirmesplatz an der Ring- bzw. Röntgenstraße umzog. Mir ist noch heute die Aufteilung des Platzes mit dem Autoscooter in der Mitte sehr präsent, zumal ich mir dort als Zehnjähriger einmal bei einem natürlich von den Eltern nicht erlaubten Besuch eine größere Fleischwunde am Knie zuzog. Diese Eskapade wurde am Bismarckplatz vom damaligen Dr. Debus mit einer gehörigen Tetanusspritze in den Allerwertesten gekrönt. Auch die großen Zirkusveranstaltungen wurden auf dem Jahnplatz durchgeführt. Zur Werbung zog man mit den Tieren durch die Stadt wie die Schützen mit ihrem Trommel- und Pfeiferkorps. Mit meiner Großmutter war ich auch außerhalb der eigentlichen Vorstellungen oft hier, um die Zirkustiere zu bestaunen und auf der Kirmes Zuckerwatte und Türkischen Honig zu verspeisen. Heute ist der ehemalige Jahnplatz mit einer Schule bebaut und mit einem Parkplatz versehen. Aber auf dem sog. Alten Markt ist auch heute immer noch was los, jetzt in der Adventszeit finden ideelle und der kommerzielle Weihnachtsmärkte dort statt. Natürlich habe ich dieser Tage wie in jedem Jahr dem ideellen Weihnachtsmarkt auch wieder Bücher aus meiner Produktion gespendet, und allen Lesern dieser Zeilen wünsche ich eine schöne Adventszeit, ein frohes Fest und einen guten Rutsch, jedoch ohne Verletzung.