Albert Schmidt, seine Familie und das Buch über „Die Wupper“

23 Juni 2016 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Der Bergische Fluss  -die Wupper- wurde wegen ihres hohen Verschmutzungsgrades in Presse und Literatur über ein ganzes Jahrhundert fast ausnahmslos negativ apostrophiert, seit einiger Zeit jedoch gibt es Besseres zu berichten. Insbesondere seit dem Film Die Wupper –Amazonas im Bergischen Land heißt es heute: Die Wupper zu entdecken ist eine unvergessliche Reise. Einst tot geglaubt, hat dieser Fluss eine wunderbare Renaissance erlebt. Eine Remscheider Zeitung widmete der Wupper in Frühsommer 2016 eine Serie, und in der Ankündigung hieß es: „Sie stank wie eine Kloake, war pechschwarz, jetzt ist sie wieder klar wie ein Gebirgsbach“. Ein Abschnitt der Serie widmete sich dabei insbesondere der Wupper in der Dichtung. Natürlich aber war die Wupper schon früh nicht nur Thema in der schönen, sondern auch in der technisch-wissenschaftlichen Literatur.

Kurz nach 1900 veröffentlichte der Lenneper Albert Schmidt eine zunächst kleine Schrift, die jedoch nach und nach zu einem dicken Band erweitert wurde. Der Titel der zweiten Auflage lautete:

Die Wupper. Niederschlagsverhältnisse, Wasserabfluss und seine Regulierung, sowie industrielle Benutzung. Von Albert Schmidt, Architekt in Lennep. Mit Zeichnungen, 30 graphischen Darstellungen, Tabellen und Textillustrationen. Zweite vermehrte Auflage, Lennep, Verlag von R. Schmitz, 1913.


Der Lenneper Architekt Albert Schmidt (1841-1932) vor der Kulisse der von ihm nach den Prinzipien Prof. Otto Intzes realisierten alten Bevertalsperre. Albert Schmidts 1913 erschienene 2. Aufl. des  Buches über „Die Wupper“ gehörte zu den nachhaltigsten Büchern der Lenneper Verlagsbuchhandlung Richard Schmitz. Bildvorlagen Lenneparchiv Schmidt

In einer kurzen Selbstdarstellung des heutigen Bergischen Verlags in Remscheid heißt es über einen seiner Vorgängerverlage: „Eines der nachhaltigsten Bücher der Buchhandlung R. Schmitz war das Buch von Albert Schmidt über die Wupper aus dem Jahre 1913, in dem erstmalig kontinuierliche Niederschlagsmessungen im Bergischen Land veröffentlicht wurden.“

Albert Schmidts Buch über „Die Wupper“ gilt heute als Pionierschrift des deutschen Talsperrenbaus. Der Baumeister, Architekt und Ingenieur Albert Schmidt aus Lennep (1841-1932) schuf für die technischen Talsperrenkonstruktionen des Aachener Professors Otto Intze (1843-1904) im Bergischen Land die notwendigen Grundlagen, indem er aufgrund seiner Niederschlagsmessungen im künftigen Talsperrengebiet Aussagen über die notwendige Fassungsgröße ermöglichte. Otto Intze und Albert Schmidt werden bis heute als die Väter der deutschen Talsperren bezeichnet. Die Schrift über „Die Wupper“, von ihrer Entstehung im Oberbergischen bei Marienheide bis zur Mündung in den Rhein in Leverkusen, schildert den „schwarzen Fluss“ u.a. als durch die Industrialisierung extrem verseuchtes Gewässer und entwickelt Methoden seiner biologischen Reinigung durch sog. Rieselfelder. Insofern wird der Autor heute nicht nur als Kenner der damaligen Verhältnisse, sondern auch als ein früher Sanierer der Wupper betrachtet. Die Bedeutung Albert Schmidts nicht nur für den Talsperrenbau, sondern generell für die Wasserwirtschaft an der Wupper hob im Jahre 1889, also mehr als ein Jahrzehnt vor dem ersten Erscheinen des Schmidtschen Buches, schon Otto Intze in einer Schrift über die „bessere Ausnutzung der Gewässer und Wasserkräfte“ hervor. Er schrieb: „ Es lassen sich in den Quellgebieten der Wupper ganz vorzügliche Sammelbecken anlegen. Die Wasserablaufmengen sind ganz unabhängig von meinen Beobachtungen aufgenommen, eine sehr verdienstvolle Arbeit des Baumeisters Albert Schmidt in Lennep, der viele Jahre hindurch täglich dreimal mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Industrie hier Messungen vorgenommen hat, so liefern die Darstellungen, die ich aus den Beobachtungen des Hrn. Schmidt abgeleitet habe, fast dasselbe Gesamtergebnis, welches wir durch unsere Messvorrichtung gefunden haben“. Die Beschäftigung mit der Wupper  begann allerdings in der Familie Schmidt nicht erst mit Albert Schmidt, sondern bereits mit seinen Vorfahren.


Das 2009 wiederentdeckte Wehr bei Hammerstein lockt bei Niedrigstwasser in der heutigen Wupper-Talsperre viele Besucher an und verweist auf seinen Erbauer Leopold Schmidt. Die alte Brücke an der Schlossfabrik in Hückeswagen wurde vom Lenneper Bauunternehmer Christian Schmidt erstellt. Insgesamt bauten fünf Generationen der Familie an der Wupper. Bildvorlagen Lenneparchiv Schmidt

Schon Albert Schmidts Vorfahren bauten an der Wupper

Albert Schmidts Großvater Leopold Schmidt (1776-1851) war der eigentliche Gründer der Lenneper Baufirma, die sich über Generationen mit der Nutzbarmachung der Wupper beschäftigte. Der Remscheider Wirtschaftshistoriker Hermann Ringel veranschlagte in seinem Buch „Bergische Wirtschaft zwischen 1790 und 1860“ die frühe Entstehung der Firma für das Jahr 1820. Leopold Schmidt kam aus Freckhausen im Oberbergischen und errichtete zunächst von dort aus als Unternehmer eine große Anzahl von Wehrbauten und Hammerwerken an der oberen Wupper bis Beyenburg. Seit 1835 wurde die Firma von Dahlhausen a.d. Wupper aus geführt. Ein schönes Zeugnis seines Schaffens entdeckte man im November 1990, als zum ersten Mal seit dem Anstau der modernen Wupper-Talsperre das alte Hammersteiner Wehr (Hückeswagen) trocken lag. Bei einer gründlichen Vermessung wurde dabei eine Art Gedenkstein entdeckt, mit der nicht ganz korrekten Aufschrift: E(rbaut) von Meister Leopolt Schmidt. Der Sohn Christian Schmidt (1805-1865) übernahm die Firma 1836 in Dahlhausen. Seine Bedeutung liegt im Wasserbau sowie, wie jetzt aufgrund verbesserter Daten immer mehr bekannt wird, in der Schaffung großer Industrieanlagen nach den Plänen seines Jugendfreundes, des Barmer Architekten Christian Heyden (1803-1869). Selbstverständlich wurden in diesen Zusammenhängen alte Wupperwehre verändert, erneuert und Turbinen- sowie weitere Wasserkraftanlagen geschaffen. Christian Schmidt spielt heute zudem in der Heimatgeschichte bei allem, was mit der Wupper zu tun hat, eine bedeutende Rolle. So heißt es z.B. in einem 2005 verfassten Aufsatz über „Die alte Wupperbrücke an der Schlossfabrik“ in Hückeswagen, dass mit dem Abriss und Neubau im 19. Jh. die Lenneper Maurermeister Christian Schmidt und Wilhelm Blass beauftragt wurden. „Die Bauarbeiten begannen im Mai 1855, und im Januar 1856 konnte die neue Zweifelderbogenbrücke bereits durch den Königlichen Kreisbaumeister Laur aus Lennep abgenommen werden“. Sie blieb gottseidank erhalten und dient heute als Fuß- und Fahrradweg.

Der Lenneper Baumeister, Architekt und Ingenieur Albert Schmidt (1841–1932) setzte später das Werk seiner Vorfahren an der Wupper fort. Wie schon erwähnt war er neben Otto Intze ein Pionier des deutschen Talsperrenbaus. Der „Bezwinger der Wupper“ wird im Bergischen Land bis heute als Baumeister öffentlicher Bauten, Kirchen, großer Fabrikanlagen und vieler Privathäuser geschätzt. Nicht nur die nach der Eschbachtalsperre zweite deutsche Trinkwassertalsperre in Lennep, auch die Bevertalsperre, die er plante und als Generalunternehmer erstellte, die Lingesetalsperre, die Herbringhauser Sperre, die Kerspetalsperre für Barmen, die Salbachtalsperre für Ronsdorf, die Sengbachtalsperre für Solingen, die Neyetalsperre für Remscheid, die Bruchertalsperre und selbst die heutige große Wuppertalsperre gehen auf seine Ideen, Vorarbeiten, Berechnungen bzw. erste Ausführung zurück. Albert Schmidt hat autobiografische  Niederschriften hinterlassen, die allerdings bis heute nur z.T. veröffentlicht werden konnten. Sie präsentieren eine Fundgrube an Informationen über geschichtliche, technische und gesellschaftliche Fragen der Gründerzeit im Bergischen Land.

Wie sehr Albert Schmidt und seine Familie die Industriebauten an der Wupper mitgestaltet haben, dies wird –z.B.- auf der Webseite des Wülfingmuseums in Dahlerau deutlich. Dort heißt es unter der Überschrift „Bezwinger der Wupper“: Vier Generationen Baumeister entstammten der Familie Schmidt: Leopold, Christian, Albert und Arthur Schmidt. Sie prägten im 19. Jahrhundert die Bautätigkeit im Tal der Wupper“ Und „Albert Schmidt machte als erster „die Wasserkraft zu einer verlässlichen Energiequelle“.


Der Blick über die 1945 gesprengte Dahlhauser Gewölbebrücke zeigt das Werk Hardt, Pocorny & Co. Auch in diesem Bereich war die Zähmung der Wupper Arbeitsvoraussetzung. Auf den Ruinen eines Holzfachwerkbaues errichtete der Lenneper  Albert Schmidt in Vogelsmühle ab 1860 für die Firma Peter Schürmann & Schröder  ein Bruchsteingebäude. Bildvorlagen  Lenneparchiv Schmidt

Albert Schmidt und der Wupperverband

Im Zusammenhang seiner Arbeiten zur Wupper machte sich Albert Schmidt auch über organisatorische Dinge Gedanken. Obwohl es das Wort „Flussmanagement“  damals noch nicht gab, hatte er doch auch diesbezüglich schon sehr konkrete Vorstellungen. Der Baurat aus Lennep verfasste im Jahre 1930, als Pensionär schon hochbetagt, eine Denkschrift „Über die Aufgaben des Wupperverbandes“. Albert Schmidt formulierte damals im Vorwort:

Der neu entstandene Wupperverband wird es als seine Aufgabe betrachten müssen, nicht allein die Übelstände zu verhindern, welche durch die Benutzung der Wupper entstanden sind, sondern auch die Gefahren zu verhüten, die durch die Regulierungen  im Wuppergebiet entstehen können. Es sollten deshalb Anlagen geschaffen werden, welche die „schädlichen Einwirkungen von Naturereignissen zu verhüten imstande sind“.

Albert Schmidt verfasste damals zwei Teile der genannten Denkschrift: erstens „Die Verstärkung des Wupperflusses in der Niedrigwasserzeit“ zur Aufnahme des Abwassers der Städte, und zweitens „Die Hochwassergefahren und deren Verhütung“. Interessanterweise fügte er sodann drei eigenhändige Zeichnungen bei, und zwar zwei Lageplan- bzw. Entwurfsskizzen zur Anlage einer Wiebachtalsperre, die nie gebaut wurde und auf dem Gebiet der heutigen Wuppertalsperre läge, und eine Kartenskizze des Wolkenbruchs im oberen Flussgebiet der Ahr am 13. Juni 1910. Daran sieht man, dass die Tätigkeit des Lennepers sich damals weit über das Wuppergebiet hinaus ersteckte, z.B. auch auf die Aggerregion. Hier gilt es im Hinblick auf Albert Schmidts freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Chefs der dortigen Industriedynastie Krawinkel noch einiges zu erforschen.

Albert Schmidts Buch über „Die Wupper“ ist in erster Linie ein wassertechnisches und wasserwirtschaftliches Buch, das in großen Teilen Daten langjähriger Wupperbeobachtungen wiedergibt, jedoch fehlt es auch nicht an lesbaren allegorischen, fast dichterischen Passagen, die noch heute gut verständlich sind. So heißt es am Anfang des Buches:

Die Wupper lässt sich in ihrem Laufe vergleichen mit dem häufig vorkommenden Lebenslauf eines Menschen, der in der reinen unverdorbenen Atmosphäre des Landaufenthaltes seine Jugendzeit zubringt und durch die spätere Versetzung in die großen Städte verdorben wird. Der muntere Knabe vom Lande wird durch die in Städten sich bietende Gelegenheit zum bösen Lebenswandel so umgewandelt, dass sein ferneres Leben sich vollständig anders gestaltet und von der schönen Jugendzeit nichts mehr geblieben Ist. Die Wirkungen des Stadtaufenthaltes haften an ihm bis zum Ende seines Daseins, obwohl er später wieder in bessere Verhältnisse kommt, die ihren Einfluss auf ihn ausüben.

Mit dem letzten Satz spielte Albert Schmidt augenscheinlich auf die seinerzeit von ihm entworfenen Rieselfelder zur Abwasserreinigung beispielsweise bei Leichlingen an. Wir heute können die Passage auch historisch deuten, denn der Wupper geht heute deutlich besser als vor hundert Jahren. Im Bergischen Land darf man sicher mit Stolz darauf verweisen, dass mit Albert Schmidts Buch über „Die Wupper“  erstmals dieser Wasserschatz als solcher gewürdigt wurde und dass später die entsprechenden Konsequenzen mit modernen Mitteln gezogen worden sind.


Die Mauer der Lenneper Panzertalsperre in ihrer erweiterten Form kurz nach ihrer Fertigstellung im Jahre 1905. In einer Schrift Albert Schmidts „Über die Aufgaben des Wupperverbands“ findet sich auch eine Entwurfsskizze zu einer Wiebachtalsperre. Sie wurde selbständig nie realisiert, jedoch gibt es eine Vorsperre dieses Namens bei der heutigen Wuppertalsperre. Bildvorlagen Lenneparchiv Schmidt

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