Albert Schmidt und Lennep

14 April 2020 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Ein Artikel aus der Bergischen Morgenpost – Rheinische Post, Regionalteil Bergisches Land, Donnerstag, 28. Dezember 2000 – Nr. 300. Leben und Arbeiten des Baumeisters, Ingenieurs, und Architekten Albert Schmidt in Buchform.

Halb Lennep ließ bei ihm Bauen 

REMSCHEID. Alle, die zur Lokalgeschichte Lenneps in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Informationen suchten, griffen früher auf eine nicht sehr bekannte Quelle zurück: In der Stadtbibliothek Remscheid und im dortigen Stadtarchiv standen, gebunden in elf dicken schwarzen Bänden jeweils, die maschinenschriftlichen Fassungen der Lebenserinnerungen von Albert Schmidt (1841-1932) zur Verfügung. Wer sich in die spannende Lektüre vertiefte, der erhielt ein umfassendes Bild von der Tätigkeit des Lenneper Baumeisters und sah die ehemalige Kreisstadt mit anderen Augen: Das alte Hallenbad, Wohnhäuser in der Rotdornallee, in der Ringelstraße, die „Kaufmannsgesellschaft“, später Hotel “Zur Post“, die Fabrikbauten in den Wupperorten Dahlerau, Dahlhausen, Vogelsmühle und Wilhelmstal.

Abb. 1 Abb. 2
Hommage an den Architekten, Ingenieur und Talsperrenbauer Albert Schmidt im Wülfingmuseum Radevormwald-Dahlerau und eine Fotocollage mit dem ehrenhalber zum Königlichen Baurat ernannten Albert Schmidt bei einem Spaziergang durch die Wetterauer Straße in seinem Lennep.

Die Arbeiterwohnhäuser in den Wupperorten, die Gebäude der Lenneper Kammgarnspinnerei Joh. Wülfing & Sohn, die Schulgebäude an der Kölner Straße, die Staumauern der Lenneper Panzertalsperre und der ursprünglichen Bevertalsperre, der Lenneper Schlachthof, die Wohnhäuser des Gemeinnützigen Bauvereins – die vom Baumeister selbst erstellte Liste der Bauten von 1885 bis 1902 nennt für jedes Jahr zwölf bis 18 Objekte.

Die Lebenserinnerungen dieses Baumeisters, der sich das Vertrauen der Lenneper Fabrikanten und vieler anderer Bergischer Bauherren erarbeitete und später den Ehrentitel „Königlicher Baurat“ erhielt, lassen über die Geschichte der Familie hinaus ein Bild der aufblühenden Industrie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstehen. Jetzt, im Jahre 2000, gab der Frankfurter Bibliotheksdirektor Dr. Wilhelm R. Schmidt die Lebenserinnerungen seines Urgroßvaters als Buch heraus und ergänzte sie mit vielen Bildern, deren Erklärung er zur Kommentierung nutzte. So erfährt man, dass das spätere Amtsgericht in der Lenneper Bahnhofstraße, von Albert Schmidt 1889 als neuestes (drittes) Lenneper Rathaus errichtet, ein Vorbild in dem 1882 erbauten „Hotel de Ville“, dem Rathaus in Paris hatte.

Abb. 3 Abb. 4
Bereits mit 17 Jahren unterstützte Albert Schmidt seinen Vater beim Bau einer Fabrikantenvilla an der Lenneper Poststraße 5 (spätere Villa Fritz Hardt) und führte dort ab Oberkante Keller den Rheinischen Backsteinbau ein. Der spätere „Baulöwe“ der Gründerzeit erstellte die gesamte Lenneper Bahnhofstraße einschließlich des damals neuen Lenneper Rathauses (später Amtsgericht), eines Gesellschaftshauses mit Alumnat und eines Hotels, im Auftrag der Stadt, aber z.T. auf eigenes Risiko. Das „Hotel Kaiserhof“ stieß er aber bald wieder ab, weil er sich bei seiner Überbeschäftigung in Lennep und an der Wupper nicht genug darum kümmern konnte.

In einem Anhang finden sich Publikationen über die Lenneper Baufirma Albert Schmidt, Zeitungsaufsätze über den Baumeister, eine Bibliographie aller Schriften Albert Schmidts und der Literatur, die bisher, also bis ins Jahr 2000, über ihn erschienen ist. Das Buch vermittelt die Weltanschauung Schmidts, die, wie der Herausgeber meint, am besten mit dem Wort „antiautoritär“ beschrieben sei. Damit ist die Unabhängigkeit seiner Lebenseinstellung gemeint, die eine Anerkennung nicht als ererbt oder verliehen akzeptiert, sondern selbst erarbeitet werden muss. Ein freier, aber stets seinen Aufgaben verpflichteter Mann wie Albert Schmidt war ein Anhänger der Evolutionstheorie von Darwin und Haeckel, immer dem eigenen Urteil vertrauend und den guten Fähigkeiten, die der Mensch besitzt.

Abb. 5 Abb. 6
Die aufwendige „Kaufmanngesellschaft“, mit großem Weinkeller und mehreren Gesellschaftssälen, erstellte Albert Schmidt für die Lenneper Tuchfabrikanten und Tuchhändler, die sich dort mit den Honoratioren des Bergischen Landes trafen. Nach dem 2. Weltkrieg fungierten Teile davon noch als „Hotel zur Post“. Die Entwürfe Albert Schmidts zu einer Wiebachtalsperre aus dem Jahre 1930 wurden so wie entworfen nicht umgesetzt. Jedoch gibt es bei der modernen Wuppertalsperre eine Vorsperre dieses Namens.

Ein Standardwerk war für Spezialisten des Wehr- und Talsperrenbaus Schmidts Buch über „DieWupper“, das zuerst 1902 und später in mehreren erweiterten Auflagen bei der Lenneper Buchhandlung Richard Schmitz erschien. Anheimelnd und ein wenig wehmütig stimmt die Lektüre, wenn der Königliche Baurat erzählt, wie er vor dem Bau der Eisenbahn von Rittershausen (Oberbarmen) im Jahr 1868 seine Baustellen, die großen Fabrikbauten an der Wupper besuchte. Er wanderte von Lennep aus nach Beyenburg, dann die Wupper entlang über Dahlerau, Dahlhausen, Krebsöge bis Hammerstein. Der Heimweg ging dann über Dörpe, Feldbach und Panzertal nach Lennep, das alles zu 80 Prozent über uralte schattige Waldwege. Selbst ein Fußmarsch an einem Tag nach Köln und zurück gehörte manchmal zum geschäftlichen Leben. „Durch diese täglichen Wanderungen über Berg und Tal, durch Feld und Wald, bei Regen und Sonnenschein, durch Schnee und Eis, wurde nicht allein der Körper gestählt und unempfindlich gemacht für jeden Witterungswechsel, sondern auch der Geist zu Naturbeobachtungen angeregt“.

Auf diesen Wegen entstanden Albert Schmidts Planungen zur Regulierung der Wupperwasserhöhe. Er sah eine Sperrung der Wupper bei Krebsöge schon vor mehr als 100 Jahren vor, der Staudamm wurde später vom modernen Wupperverband verwirklicht. Eine schöne Wohnstraße an seinem Lieblingsberg der Knusthöhe trägt heute seinen Namen, lange Zeit auch ein Klingelschild an der Eingangstüre zum Johann Wülfing Sohn-Museum in Dahlerau. Wie schön, dass nun dieses Buch endlich erschienen ist.

Abb. 7 Abb. 8
Nicht nur Talsperren, Fabrikbauten, Villen und Arbeiterhäuser wurden von Albert Schmidt geplant und erstellt, sondern auch eine evang. Kirche in Radevormwald-Vogelsmühle. Als sich im Jahre 2002 die Urenkel Albert Schmidts aus aller Welt in Lennep trafen, wurde auch sie besucht. Rechts sieht man diese Urenkel vor der großen Fabrik in Radevormwald-Dahlerau, wo Albert Schmidt das Werk seiner Väter an den Wupperwehren und Wupperwerken fortsetzte.

„So seh´ ich es“, schrieb seinerzeit im Jahre 2000 in der Zeitung eine Kommentatorin: „Die Lenneper können sich glücklich schätzen, dass so viel Substanz ihres Baumeisters Albert Schmidt geblieben ist. Beim Durchblättern des Buches über den prominenten und unermüdlichen Sohn der ehemaligen Kreisstadt fällt auf, dass so manches Gebäude trotz Restaurierung sein ursprüngliches Gesicht behalten hat. Kompliment, dass den Bergischen ihre Historie und die Ästhetik der Altbauten so am Herzen liegt, dass sie nicht wie mancherorts durch plumpe Stilbrüche entstellt wurden. Bleibt zu hoffen, dass auch die alten Industriekomplexe an der Wupper in absehbarer Zeit wiederbelebt werden, damit dieses Stück Geschichte mit seinen vielen erhaltenswerten Details nicht verfällt.

Abb. 9 Abb. 10

Anmerkungen zum Buch

Albert Schmidt, Ein Leben in der der Bergischen Kreisstadt Lennep / Hrsg. von Wilhelm Richard Schmidt, Gießen und Frankfurt am Main, im Jahre 2000, 251 Seiten, Über 200 Abbildungen, Preis seinerzeit 50.- DM. Gefördert vom Landesverband Rheinland und empfohlen vom Bergischen Geschichtsverein.

In leicht verkürzter Form wurde die ursprüngliche Ausgabe unter dem Titel „Albert Schmidt – Ein bergischer Baumeister“ im Jahre 2008 wegen der großen Nachfrage im Erfurter Sutton-Verlag noch einmal veröffentlicht und mehrfach nachgedruckt. Restexemplare sind über den Antiquariatsbuchhandel und in Lennep an mehreren Orten erhältlich, z.B. im dortigen Tuchmuseum und im Lennepladen. Das ungekürzte Werk kann man sich aber auch im Internet anschauen und kostenfrei herunterladen:  http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/index/index/year/2005/docId/3907 

Comments are closed.

© Lennep.eu - Lennep hat was - Dr. Wilhelm R. Schmidt, technische Umsetzung von 378meter.de - Christoph ImberKontakt - Impressum