Alt-Lennep am Kölner Tor

10 April 2015 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Vgl. auch https://www.lennep.eu/gesellschaftliche-clubs-im-alten-lennep/
sowie https://www.lennep.eu/hertie-karstadt-dorrenberg-und-die-gesellschaft-union-an-der-wupperstr/

In einer bergischen Aufzeichnung, die nun auch schon über siebzig Jahre alt ist, fand ich vor einiger Zeit nachstehende Hinweise auf Alt-Lenneper Namen und Verhältnisse. Sie können in der Tat auch heute noch Interesse finden, weil sich ihre einschlägige Örtlichkeit just an der Ecke der Kölner Straße zur Wupperstraße befindet, wo im Jahre 1910/12 das Lenneper Kaufhaus Dörrenberg erbaut wurde, das mit seiner langen Geschichte über Karstadt und Hertie sowie dem jetzt im Jahre 2015 schon langen Leerstand die Lenneper Gemüter immer wieder beschäftigt. Schon vor der Errichtung des Kaufhauses vor mehr als einhundert Jahren trafen sich auf dessen Grundstück zahlreiche Lenneper, wenn auch aus einem anderen Grund: sie besuchten die Traditionswirtschaft Vollmer und die dort angesiedelte Gesellschaft Union. Ein historisches Protokollbuch dieser Gesellschaft sagt aus, dass diese am 28. Februar 1828 gegründet wurde. Das Buch selbst stammt jedoch aus späterer Zeit, nämlich aus den Jahren um 1850, die ersten Niederschriften des Vereins waren damals wohl auch schon verloren gegangen. Man liest dann weiter, dass man eine Kommission wählte, der die Mitglieder Salomon Engels, H. Wallbracht, Franz Hasselkus sowie die Lehrer Werner und Richard Werner angehörten, die eine neue Satzung der Generalversammlung vorzulegen hatten. In der Satzung wurden als Zwecke der Gesellschaft angegeben, die Geselligkeit und das Vergnügen, verbunden mit strenger Ordnung und Sitte, zu pflegen. Zwar konnte sich jeder gebildete Mitbürger von unbescholtenem Ruf zur Aufnahme melden, aber man sorgte wohl dafür, dass sich kein Unberufener, wie es damals hieß, in diesen Kreis einschlich, denn das Protokollbuch vermerkt auch häufig eine Ablehnung von Aufnahmeanträgen, über die zu dieser Zeit in geheimer Abstimmung mit farbigen Billardkugeln abgestimmt wurde. In dem Protokollbuch finden sich viele Namen von Lenneper Bürgern, deren Nachkommen auch heute noch am Ort ansässig sind, oder aber die wir aus den der Lenneper Geschichte kennen, wie Spicker, Schmitz, Peipers, Hammacher, Hackenberg, Frowein, Grüderich, Groß, Sieper, Lambeck, Berghaus, Seringhaus, Girardet, Pitscher, Hausmann, Kluthe, Boucke, Hilger, von Pollheim, Bellingrath, Brückelmann, Schüssler, Kühner, Dürholt, Schmidt und Haas, Schlieper, Leysieffer, Mosblech, Trautwein, Witscher, Johnen, Wehner, Temsfeld, vom Berg, Zimmer, Mühlinghaus und viele andere mehr, über die man eine Menge Geschichten erzählen könnte, wenn sie denn noch nicht erzählt sind. Sieht man genauer hin, so handelt es sich weit überwiegend um damalige Vertreter des bürgerlichen Mittelstands, auch wenn sie ggf. schon reich geworden waren, die wirklich „Großkopferten“ wie die Familie Hardt, sucht man in der Regel vergebens, sie verkehrten in anderen, oft auch überregionalen Kreisen.

Die Gesellschaft Union tagte bei Carl Wilhelm, später Julius Vollmer, deren Gaststätte sich, wie bereits erwähnt, an bzw. auf der Ecke Wupperstraße-Kölnerstraße befand. Auf dem Grundstück wurde Anfang der 1910er Jahre das Kaufhaus Dörrenberg erbaut, später befanden sich in dem Gebäude die Kaufhäuser Karstadt und zuletzt Hertie. Die vormaligen Gesellschaftsräume bei Vollmer standen überwiegend nur der Gesellschaft Union selbst zur Verfügung, sie wurden aber auf Antrag auch weiteren Vereinen überlassen, so dem Schützenverein für seine Generalversammlungen und die besonderen Festlichkeiten. Die Vereinsabende der „Union“ wurden in der ersten Zeit des Bestehens mit Kegelspiel, Lesen von Zeitungen und Zeitschriften sowie mit Unterhaltungen verbracht. Das erinnert an englische Clubs, und man fragt sich, ob sich nicht auch das eine oder andere Mitglied dort einfand, um abseits des Geschäftslebens und vielleicht auch abseits der Familie ein gehöriges Schläfchen im Sessel zu halten, natürlich mit einem Journal über den Augen, so wie wir dies aus alten Filmen kennen. Später veranstaltete man auch Vortragsabende, Theatervorstellungen und Konzerte, in der Hauptsache aber pflegte man den Lenneper Kontakt, und man war unter sich.

Auf den historischen Fotos von der Lenneper Kölner Straße kann man gut erkennen, wie weit sich die Produktionsstätten der früheren Fabrik Bauendahl, später Johann Wülfing & Sohn, vor Errichtung der Kammgarnspinnerei in den 1880erJahren bis zur heutigen Kreuzung an der Wupperstraße hinunter zogen. Die spätere Straßenbahn, sie wurde in diesem Abschnitt 1907 frei gegeben, gab es zu dieser Zeit noch nicht. Auf den weiteren Fotos erkennt man auf dem ersten linken Bild die Wirtschaft Vollmer, zu der im hinteren Garten weitere Einrichtungen der Gesellschaft Union gehörten, z.B. ein Pavillon und eine Kegelbahn, und direkt gegenüber das Areal der Industriellendynastie Schürmann und Schröder. Als an dieser Ecke die Straßenbahn eingerichtet wurde, kam es zu größeren Verkehrsproblemen und auch zu mehreren Unfällen. Heute stark abgeschrägt erinnert die Ecke noch viele Lenneper an den früheren Zustand, als noch dem Zweiten Weltkrieg in dem großen Steinhaus das Schuhhaus Flick residierte und ein metallener, rot-weiß gestrichener Zaun das unbefugte Überschreiten der Kreuzung verhindern sollte. Zwei weitere schöne Fotos zeigen uns, wie es auf dem Grundstück der Gaststätte Vollmer mit der Gesellschaft Union nach 1911/12 ausgesehen hat: auf dem einen sieht man das ursprüngliche Kaufhaus Dörrenberg in seiner ersten Phase, die schmucke neue Villa des Kaufhausbesitzers wurde schon bald an der Wupperstraße an das neue Kaufhaus angeschmiegt, eine neue Zeit hatte hier also schon mehrere Jahre vor dem Ersten Weltkrieg begonnen.


Insbesondere das Gartenbild zeigt uns noch einmal den Zustand vor der Neugestaltung des Areals der Gesellschaft Union mit der stolzen Besitzerfamilie Vollmer. Seltsamerweise erinnert mich dieses Foto immer an das Paradiesgärtlein des oberrheinischen Meisters um 1420, das Bild unten rechts zeigt die Villa des Kommerzienrats Hermann Hardt d.Ä. an der Kölner Straße von hinten. Vielen Lennepern ist diese Villa aus der Zeit nach 1945 noch bekannt. Das Grundstück einschließlich Fabrikbetrieb stieß direkt an das der Familie Vollmer. Und nun vielleicht doch noch eine Überraschung: auf dem linken Bild unten sieht man nämlich, wie klein in Wirklichkeit das Vollmersche Areal an der Kreuzung bzw. an der Wupperstraße war. Wie ein schmales Handtuch fügte es sich in das übergroße Hardtbesitztum zwischen Kölner Straße, Wupperstraße, Leverkuserstraße (damals auch Leverkuser Gasse und Kinds Gässchen) und der Rotdornallee (früher Mittelstraße) ein. Das war im 19. Jh. nicht nur das große Problem der Vollmerschen Unternehmungen, sondern ab 1910 auch das Problem des neuen Kaufhausbesitzers Dörrenberg. Sein Lenneper Architekt Paul Dürholt rechnete es sich selbst hoch an, Dörrenbergs neue Villa in die beengten Raumverhältnisse ideal eingepasst zu haben. Anders als das damals gerade zuvor erbaute Kaufhaus existiert die Villa heute nicht mehr.

Kehren wir aber noch einmal in die Gefilde der Gesellschaft Union und in ihre Zeit zurück. Es erscheint durchaus lehrreich für uns heute, einmal einen Blick auf die Liste der zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften zu tun, die von der Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts bezogen wurde, denn das mutet überraschend modern an. Da finden wir außer dem Lenneper Kreisblatt die Elberfelder Zeitung, Die Tribüne, den Kladderadatsch und die Gartenlaube, den Humorist, die Leipziger Illustrierte Zeitung, Westermanns Monatshefte, die Augsburger Allgemeine Zeitung, die Berliner Volkszeitung und in den 1870er Jahren noch das seinerzeit aktuelle Organ Der Kriegsschauplatz. Die Zeitungen und Zeitschriften wurden übrigens in gewissen zeitlichen Abständen an Interessenten versteigert, und ich selbst kann mich erinnern, gehört zu haben, dass noch im Jahre 1932, als mein Urgroßvater an der Lenneper Knusthöhe starb, im Garten ein großer Haufen derartiger historischer Publikationen verbrannt wurde, was natürlich heute aus Umweltschutzgründen ganz unmöglich wäre. Wie vieles dem Wandel der Zeiten unterworfen ist, so änderte sich im Laufe der Jahre auch das gesellschaftliche Leben, und natürlich auch in Lennep. Entscheidend war nach der Wende ins 20. Jahrhundert dafür vor allem der Erste Weltkrieg mit seinen allumfassenden Folgen. Auch die Gesellschaft Union wurde bereits 1914 ein Opfer der Verhältnisse, was durchaus nicht nur an dem Verlust des traditionellen Vereinslokals lag. Die Zeiten einer solchen Gesellschaft waren sozusagen vorbei, die Welt wurde hektischer und die Nachrichten schneller und weitaus umfassender. In früheren Zeiten bestand ein großes Bedürfnis nach Gesellschaften wie der der Union, denn außer gelegentlichen Theatervorstellungen auswärtiger Truppen und Konzerte gab es in Lennep eigentlich nur die Schützenfeste als allgemeine und für alle Schichten und Bevölkerungsgruppen wichtige Ereignisse. Im Gegensatz dazu waren die Gesellschaften meist sehr schichtspezifisch angelegt und vereinigten jeweils bestimmte Kreise bzw. Berufsgruppen. Es heißt wohl zu Recht, dass in der Kreisstadt Lennep die Standesunterschiede im Öffentlichen Leben sehr ausgeprägt waren. Außer der Gesellschaft Union bestand noch die Kaufmannsgesellschaft, die zunächst in den oberen Räumen des Amtsgerichts am Alten Markt zusammenkam, und später das Gebäude an der Bergstraße unterhalb des Bahnhofs bauen ließ. Auch diese Gesellschaft kam während des Weltkriegs an ihr Ende, ebenso die um 1848 gegründete Parlamentsgesellschaft, die in der Berliner Straße und zeitweise gegenüber dem Berliner Hof tagte, sowie die Gesellschaft zum Roten Ochsen an der unteren Kölner Straße.

Soweit der heutige Blick zurück in die Lenneper Geschichte, mit seinen Ecken und Straßen, aber auch mit den Namen der Industriellen und des Lenneper Mittelstandes. So manche Namen bzw. ihre Träger haben die heute ca. 70jährigen noch gut gekannt, an viele der Namen knüpfen sich persönliche Erinnerungen, „wie es früher war“.

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