Baurat Schmidt und die Lenneper Schulen

15 Juli 2019 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Jetzt, im Jahr 2019, feiert die heutige Freiherr-vom-Stein-Schule, offiziell: Gemeinschaftsgrundschule Freiherr-vom-Stein, das 150. Jubiläum ihres großen Gebäudes an der Hardtstraße in Lennep. Auch ich bin in den 1950er Jahren dort in die Volksschule gegangen, aber bereits nach dem 1. Schuljahr 1953 wurde ich mit einigen anderen Schülern aufgrund der Veränderung des Einzugsgebiets an die Volksschule „An der Glocke“ in der oberen Kölner Straße überwiesen. Dennoch ist das erste Schuljahr in der Hardtstraße vor meinem geistigen Auge noch sehr präsent, u.a. erinnere ich mich daran, dass man aus mir seinerzeit beim Schreiben einen Rechtshänder machte. Aber es verbindet mich mit dieser Schule auch etwas Familiäres, sie wurde nämlich wie mehrere andere Schulen in Lennep von meinem Urgroßvater Albert Schmidt erbaut.

Abb. 1 Abb. 2
Der Lenneper Baumeister Albert Schmidt (1841-1932) führt in seiner „Liste der ausgeführten Hochbauten in Lennep und Umgebung (1865-1902)“ den Bau der heutigen Freiherr-vom-Stein-Schule als Höhere Bürgerschule für die Jahre 1868/1869 auf. Mit ihr wurde zunächst die Höhere Bürgerschule (zuvor u.a. Höhere Stadtschule) in der ehemaligen Lenneper Kunstgasse, später Knabenschule und Bezirkskommando (s.u.), fortgesetzt. Das seinerzeit neue Gebäude in der heutigen Hardtstraße, ehemals ein tiefliegender enger Fahrweg in „geräuschloser“ Gartengegend, errichtete Albert Schmidt nach Entwürfen des mit den Lenneper Industriellenfamilien verbundenen Baumeisters Julius Thomas aus Neuss, mit dem er bereits zuvor beim Villenbau an der Poststraße 5 sowie an Fabriken der Wupperorte zusammen arbeitete. Der Neusser Architekt war vom Lenneper Baukomitee aufgrund seiner eingereichten Entwurfsskizzen ausgewählt worden und besaß das besondere Vertrauen auch der Königlichen Regierung. Die neue Bürgerschule hatte zunächst keine seitlichen Anbauten. Sie erhielt diese erst 1903 bzw. 1908 und durchlief  nach und nach mehrere Funktionsformen, u.a. als Realschule nebst Realgymnasium und Lyzeum, d.h. Höhere Mädchenschule. Der Name der Hardtstraße und das Tuchmuseum im heutigen Gebäude verweisen auf die Wichtigkeit der Familie Hardt und ihrer Firmen für das Lenneper Wirtschafts-, Sozial- und Kulturwesen, das oft nur durch die Stiftertätigkeit der führenden Tuchfabrikanten ermöglicht wurde. Einzelne Jahresberichte der Höheren Bürgerschule sind außer in den Archiven auch im Internet dokumentiert, z.B. hier:  https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11367562_00001.html Zur Entwicklung der Höheren Bürgerschule in der Lenneper Hardtstraße vgl. auch hier: https://remscheid.de/leben/bauen/denkmalschutz/146380100000115782.php

Abb. 3 Abb. 4
Für das Jahr 1894 verzeichnet Albert Schmidt in seiner „Liste der ausgeführten Hochbauten“ einen Schulbau, „Volksschule, sechs Klassen, Kölner Straße“. Die Schule „An der Glocke“, manchmal auch „Schule zur Glocke“  wurde amtlich als die „Schule System 3″ oder „Schule Bezirk 3″ verzeichnet. Da sie an der Kölner Straße 94 etwas zurück lag, ist sie auf historischen Abbildungen der Straßenflucht, wie hier auf dem linken Foto, oft nicht zu sehen. Das rechte Foto (Bildautor Roland Keusch) zeigt den Umbau der denkmalgeschützten „Schule Glocke“ zu Eigentumswohnungen im August 2018.   

Am Mollplatz aufgewachsen, habe ich einen erheblichen Teil meiner Kindheit und Jugend in der Lenneper Hardtstraße verbracht, zunächst im städtischen Kindergarten, heute „Kinderhaus Westerholt“, dann in der genannten Volksschule, später im darüber liegenden alten evangelischen Gemeindehaus beim Katechumenen- und Konfirmandenunterricht des Pfarrers Roland Spengler und natürlich in der angrenzenden Albrecht-Thaer-Straße im Hause des CVJM. Um die bauliche Entstehung der genannten Gebäude habe ich mich damals naturgemäß nicht gekümmert, und ich wusste lange Zeit nicht, dass sowohl das Kinderhaus Westerholt wie auch die spätere Freiherr-vom-Stein-Schule auf meinen Urgroßvater, den Lenneper Baumeister Albert Schmidt zurückgehen, und das heute nicht mehr existente Gemeindehaus auf dessen Sohn Arthur. Erst als ich mich später mit der Lenneper Geschichte beschäftigte, lernte ich auch, dass die heutige Hardtstraße (früher auch einmal Vicariestraße) einst ein einfacher, schmaler Gartenweg war und die abbiegende Straßenführung hinauf zum Gemeindehaus eine Zeit lang Schulstraße hieß. Und nach und nach wurde mir auch klar, welche Rolle dabei Albert Schmidt  spielte, den später manche Lenneper einfach nur den „Baurat“ nannten. Auch die achtklassige bzw. die sechsklassige Volksschule, bekannt als die System- oder Bezirksschulen 1 und 3 an der Kölner Straße 71 bzw. 92 (An der Glocke) gingen ja auf sein Konto, und ebenso die 1895/1896 am Jahnplatz errichtete neue katholische Schule, die durch einen Toilettenmittelbau mit der alten Schule verbunden wurde, in der er einst selbst das erste Schuljahr verbracht hatte.

Abb. 5 Abb. 6
Mit „Schulbau, acht Klassen, Lennep, Kölnerstraße“ verzeichnete Albert Schmidt dieses Gebäude  für das Entstehungsjahr 1890. Repräsentativ wilhelminisch als Wahrzeichen einer weiter aufstrebenden Kreisstadt verwandelte sie sich in den 1930er Jahren in eine „Hermann-Göring-Schule“, als auch die Kölner Straße in Hermann-Göring-Straße und die nahe Haltestelle Kreishaus in Hermann-Göring-Platz umbenannt wurden. Das Schulgebäude wurde später ein Opfer des alliierten Bombardements.

Die allgemeine Schulgeschichte Lenneps wiederzugeben ist hier nicht der Ort, und eine umfassende Geschichte der im Jahre 2019 einhundertfünfzig Jahre alt werdenden Schule an der Hardtstraße kann ich gar nicht leisten. Sie wurde auch bereits in der „Geschichte des Röntgen-Realgymnasiums mit Realschule und Lyceum“ beschrieben, die im Jahre 1935 von dem Lenneper Kapitän a.D. Paul Windgassen, selbst Absolvent dieses Gymnasiums, verfasst wurde, und sie lebte in der späteren „Schulgeschichte des Röntgen-Gymnasiums in Remscheid-Lennep“, 1991 herausgeben von Oberstudienrat Dr. Michael Metschies, noch einmal auf.

Bei der Durchsicht meiner Materialien fiel mir auf, dass Baurat Albert Schmidt (1841-1932) nicht nur seine eigenen Bauten im Sinne eines Werkverzeichnisses aufgelistet hat, worin die genannten Schulen, jeweils mit der Jahresangabe der Arbeiten an ihnen, natürlich vorkommen. Albert Schmidts umfangreiche Lebenserinnerungen, die er selbst in „geschäftliche“ und „private“ teilte, schildern u.a. auch seine Kindheits- und Schulerlebnisse, selbst schon ein alter Herr erzählt er dort also die früheren Lenneper Schulverhältnisse aus eigener Anschauung. Dabei tauchen viele der in den genannten Schulgeschichten vermerkten Namen und Ereignisse auf, verbunden und anschaulich geschildert in Anekdoten und Histörchen. Als ich im Jahre 2000 meine Albert-Schmidt-Monografie erstmals veröffentlichte, fanden nicht alle seinerzeit aus dem Handschriftlichen transkribierten Passagen in dem Buch ihren Platz, aber sie waren natürlich nicht verloren. So erscheint es heute sinnvoll, angesichts des diesjährigen Jubiläums der Lenneper Freiherr-vom-Stein-Schule in der Hardtstraße darauf zurück zu kommen, allerdings in einem eigenen Beitrag: https://www.lennep.eu/lenneper-schulleben-im-19-jahrhundert/

Abb. 7 Abb. 8
Die alte katholische Schule von 1844 an der Lenneper Mühlenstraße, die zeitweilig wegen des Schulraummangels auch die Grundklasse der evangelischen Volksschule aufnahm, ist unter unterschiedlichen Aspekten in der Lenneper Erinnerung präsent. 1848 war in ihr die erste Klasse der Höheren Bürgerschule untergebracht, 1849 diente sie bei der großen Choleraepidemie als Lazarett. Wie viele nach ihm warf auch Albert Schmidt die Frage auf, warum man eine solche Schule ausgerechnet an einem Ort entstehen ließ, an dem durch die hier zusammen fließenden Quellbäche der entstehenden Lennepe der gesamte Unrat der Stadt unabgedeckt versammelt wurde. Das hinderte aber auch ihn nicht daran, 1895/96 das historische Schiefergebäude durch einen großen, jetzt steinernen Neubau zwischen Mühlenstraße und Jahnplatz zu erweitern (rechte Abb., links neben der Feuerwehranlage).

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