Die Geschichte holt uns immer wieder ein. Personen, die längst verstorben sind, Ereignisse, kaum noch bekannt, Firmen, welche die meisten von uns –wenn überhaupt- nur dem Namen nach noch kennen, manchmal kehren sie wieder und wecken die Erinnerung. So auch dieser Tage, als über das Historische Zentrum ein Anfragender an mich verwiesen wurde, auf der Suche nach einer Person, die im Jahre 1952 mit der Lenneper Firma Wender & Dürholt nach Australien gegangen war. Rund zwei Wochen zuvor erreichte mich sogar eine Anfrage von Nachfahren der ehemals Lenneper Familie Wender, die der Firma einen Teil des Namens gegeben hatte.
Wender & Dürholt? Ach ja, an der Wupperstraße, da wo jetzt das Einkaufszentrum ist und zwischendurch der OBI-Baumarkt war. Dort standen früher, die Alten erinnern sich, die Gebäude, in denen die Firma Wender & Dürholt residierte. Nach außen machte der Firmenkomplex einen ziemlich abgeschlossenen Eindruck. Ein Sammler alter Lenneper „Schätzchen“ erinnerte sich: „ich habe doch ganz in der Nähe, zwei Minuten entfernt in der Spielbergasse, gewohnt. Oft gingen wir Jungs am Hoftor der Firma in der Wupperstraße vorbei, dass das so eine große bedeutende Firma gewesen sein soll, das haben wir damals nicht gewusst. Unter dem Gesichtspunkt aber, dass eine Ausgründung der Firma noch nach dem 2. Weltkrieg unter demselben Namen in Australien im Regierungsauftrag Häuser baute, war Wender & Dürholt sogar eine Weltfirma.
Aber wie kam es überhaupt zu dieser Firma? Wie so oft in Lennep hat es wieder einmal zu mit Albert Schmidt zu tun, genau genommen allerdings eher mit dessen Vater. Auch der war nämlich schon ein gut beschäftigter Baumensch der Wupperindustrie. Obwohl selbst nicht mit den Weihen eines Meisters ausgestattet, befehligte er auf dem heutigen Gebiet von Lennep und Lüttringhausen ein Konglomerat von Firmen, die alle mit dem Bauwesen zu tun hatten. In Lüttringhausen war es eine Feldbrand- bzw. später Ringofenziegelei, die manche von uns noch als Klinkerwerk Eberhardi im Gedächtnis haben, von der Knusthöhe in Lennep aus führte er ein Baugeschäft für die Bauten an der Wupper, und in der heutigen Wupperstraße in Lennep befand sich die Zimmerei, die den Bauten das bearbeitete Holz lieferte. Die Baumaterialien Holz und (Ziegel-)stein waren also in der eigenen Hand. Und nicht umsonst war Christian Schmidts Sohn Albert später, wie es die Dokumente ausweisen, zunächst Bau- und Zimmermeister, bevor er später Architekt und ehrenhalber „Baurat“ wurde.
Wender und Dürholt? Schon früh traten Vertreter dieser Namen in das Leben Albert Schmidts. Wilhelm August Wender war, im Jahre 1829 geboren, sozusagen das Bindeglied zur vorherigen Generation, die an der Wupper baute. Oft erwähnt Albert Schmidt, wie „Freund Wilhelm Wender“ und er morgens an die Wupper schritten, um die dortigen Bauten zu kontrollieren. Und Dürholt? Mit Ludwig Dürholt (1842-1913), in der Familie allgemein Louis genannt, kam der fast gleichaltrige Albert Schmidt bereits während seiner Lehre und Ausbildung in Berührung. Aus diesen Beziehungen entwickelten sich später in beiden Fällen durch Heirat verwandtschaftliche Verhältnisse, denen im Einzelnen hier nicht nachgegangen werden kann, die aber dazu führten, dass das geschäftliche Erbe von Großvater Christian Schmidt aufgeteilt wurde. Noch in recht späten Werbematerialien der Firma Wender & Dürholt wurde Wert darauf gelegt, dass das Geschäft im Jahre 1840 gegründet worden sei, das war noch die Zeit von Christian Schmidt, die Neugründung unter dem Namen Wender & Dürholt wurde am 2. März 1870 in das Handelsregister der Stadt Lennep eingetragen. Ein Nachfahre der Familie Wender wies aufgrund seiner Unterlagen erst kürzlich darauf hin, dass der Teil Wender dem Teil Dürholt 12000 Mark zur Firmenneugründung unter beider Namen beisteuerte. Am 1. Januar 1917 wurde die Firma als Kommanditgesellschaft geführt. 1939 dann trat Eugen Lohmann in die Firma, ein, ein Jahr dann schied Paul Dürholt aus. Unter dem Sohn Eugen Lohmanns wurden die Firma nach dem 2. Weltkrieg weitergeführt, allerdings wurde die Schreinerei 1974 eingestellt und das Baugeschäft 1985 aufgegeben. Leider gingen bereits in den 1970 Jahren bei den ersten Abbrüchen der Büro- und Fabrikationsgebäude alle Geschäftsunterlagen verloren. So sind wir heute auf die nicht sehr zahlreichen Dokumente angewiesen, die die Zeiten überdauert haben und, und die durch den Briefkopf z.B. über die Firma Auskunft geben. Danach bezeichnete sich die Firma z.B. als „Werkstätten für Architektur und Bauausführung“ und warb für die „Gesamtübernahme schlüsselfertiger Bauten“, oder man warb für die „Einrichtung zeitgemäßer Geschäftsräume“ und den „feinsten Innenausbau“. Im Jahre 1889 bereits, in demselben Jahr übrigens wie die Firma Johann Wülfing & Sohn, erhielt die die Firma als „mechanische Bau-Tischlerei“ eine Dampfmaschine, und zwar eine „liegende Maschine mit drehbarem Expansionsschieber“ von der Firma MAN.
Die Tätigkeit und Bedeutung der Firma Wender & Dürholt erstreckte sich unter dem Strich auf drei Gebiete: die ursprünglich allgemeine Zimmerei, den professionellen Fensterbau und ein Architektur- und Baugeschäft, wobei die durchaus bedeutende architekturgeschichtliche Epoche mit der Tätigkeit von Paul Dürholt (1880-1955) verbunden ist, dem Sohn des Firmenmitgründers Louis Dürholt. Als „Architekturbüro“ beschäftigte die Firma zeitweise auch verschiedene für Lennep und seine Umgebung wichtige Architekten, z.B. Friedrich Wilhelm Höffgen (1883-1940). Paul Dürholt ließ, um 1915 oder später, eine Werbeschrift mit dem Titel „Bauten in Bergischer Heimaterde 1908-1913“ drucken, in der seine hauptsächlichen Lenneper Bauten mit Bildbeispielen wiedergegeben werden, eine weitere Schrift in Ecksteins Biographischen Verlag Berlin gilt als verschollen. Bekannt ist hiervon nur das Titelblatt, das Werk selber ist in keiner Bibliographie verzeichnet, und augenscheinlich besitzt es auch niemand. U.U. war es in der Zeit des 1. Weltkriegs geplant und vorbereitet, jedoch nicht mehr fertig gestellt. Der Urheberanteil der einzelnen Architekten der Firma ist oft im Einzelnen bei Bauwerken nicht feststellbar, es existieren heute auch noch Architekturpostkarten, bei denen die Zueignung durch die Firma Wender & Dürholt mit dem Namen des eigentlichen Architekten überdruckt werden musste und umgekehrt. Eine Zusammenarbeit mit seinem Vetter Arthur, dem Sohn von Albert Schmidt, ist nicht nachweisbar, Arthur Schmidt und Paul Dürholt, die sich in vielem sehr ähnlich waren, standen in deutlicher Konkurrenz beim Entwurf und der Ausführung teurer Bauten, künstlerisch hochstehend und entworfen bis ins kleinste Detail.
Anders als im Architekturbereich kann die Entwicklung der Firma im Fensterbau als eine durchgehende und einzigartige Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Ausgehend von der ursprünglichen Zimmerei wurden neben Schränken, Stehmöbeln und Türen bereits vor 1900 verschiedene Arten von Fenstern entwickelt und hergestellt. Bei den sog. Schiebefenstern knüpfte man nach eigener Aussage an die „altbergischen Bauten aus dem 18. Jahrhundert“ an und schmückte später das Werbematerial mit dem Haus Cleff in Remscheid-Hasten, das schon 1778 /79 bei seiner Entstehung Schiebefenster aufgewiesen hatte. Der Briefkopf der Firma trug dabei den Schriftzug „Spezialwerkstätten der WEDE Schiebefenster D.R.P.“ Die spezielle Art der Fenster war also als Deutsches Reichspatent eingetragen. Auch ausländische Patente hatte die Firma hier inne und genoss mehrfachen Gebrauchsmusterschutz. Noch heute besitzt so manches gediegene Haus im Bergischen Land die WEDE Originalfenster, gearbeitet aus Pitch Pine, einer besonders wetterbeständigen Kiefernart aus Nord- bzw. Mittelamerika, und ausgerüstet mit den speziell hergestellten Beschlägen der Firma. In Deutschland wurden ausweislich eines erhaltenen Prospekts jedoch mit großem Erfolg auch Fensteranlagen für Großbauten geliefert, für Schulen, Fabrikanlagen und Tagungsstätten, z.B. nach Bad Ems, Berlin, Bottrop, Datteln, Hagen, Hamburg, Köln, Stade usw. Mit der Zeit ging man zuletzt, als man auch Stahlfenster herstellte, etwa das We-De Stahlkellerfenster nach dem System „KEFESTA“. Wie schon die Holzfenster sollte es „ in der Außenansicht sauber und vornehm“ wirken. Im Urteil der Kunden kamen die Fenster denn auch gut weg. Aus Hannover schrieb z.B. ein Bauherr: Ich bestätige gerne, dass ich bei dem Neubau meines Hauses im Jahre 1910 Ihre WEDE Schiebefenster verwendet habe. Die Ausführung erwies sich als technisch vorzüglich. Nach 20 Jahren ist der Schluss und die Dichtung der Fenster äußerst genau, vor allem aber habe ich meine Freude an dem ausgezeichneten Holze gehabt.“
Unsere heutige Reminszenz erwähnte im ersten Absatz Australien. Im Jahre 1952 versuchte die Firma Wender & Dürholt dort einen Neuanfang. Auch wenn die Geschichte nicht lange währte, so war doch der Start fulminant. Über eine Regierungsstelle sollte die Firma gleich 500 Häuser für den South Australian Housing Trust erstellen. Das kann man sogar im Internet nachlesen. Im australischen Nationalarchiv sind auch die Personen zu recherchieren, die damals aus Remscheid-Lennep mit übers Meer kamen. Name, Geschlecht, Alter usw., und das Datum der Einreise. Sogar das Schiff, mit dem die Überfahrt erfolgte, ist vermerkt. Über Wender & Dürholt kam dann in jenen Jahren so mancher Remscheider nach Australien. Diese Migranten, wie wir heute auch auf Deutsch sagen, wohnten zunächst in deutschen Camps, wo auch die Tradition des deutschen Männergesangsvereins weiter gepflegt wurde. Das deutsche Lied und der deutsche Männerchor waren aber gerade in Südaustralien sowieso nicht unbekannt. Denn dort gab es und gibt es heute noch Die Deutsche Liedertafel von 1858. Durch die neuen Deutschen kam es am anderen Ende der Welt auch zu einer Auffrischung der Sangestradition. Dieses historische Ereignis wird auf der Internetseite des traditionellen Sängerbundes unter Nennung des Firmennamens Wender & Dürholt für die Nachwelt festgehalten. Als ich also neulich nach dem Schicksal eines Mannes gefragt wurde, der mit Wender & Dürholt nach Australien gegangen war, wandte ich mich an die Liedertafel und hatte, man glaubt es kaum, innerhalb von 24 Stunden Antwort. Zwar war der Gesuchte selbst gar kein Sänger, jedoch kannte ihn noch jemand als Arbeitskollegen, just in der Zeit von 1952 bis 1954. Man sieht an alledem wieder einmal: die Welt ist klein, und: Remscheider sind in aller Welt!