Im Herbst 2017 ging durch die lokale Presse wieder einmal der Ruf nach einer Festhalle in Lennep. „In Remscheid fehlt eine Festhalle. Entstehen könnte sie in Lennep“, erklärte der Chef des Verkehrs- und Fördervereins. „Es ist traurig, dass die Großstadt Remscheid so etwas nicht zu bieten hat“. Dabei sei der Bedarf riesig, zum Beispiel für die Abi-Bälle. Der Ruf nach einer geeigneten Lokalität für die unterschiedlichsten Versammlungs- und Feierzwecke ist in Lennep nicht neu. Vor fast einhundert Jahren wurde im Kreisblatt ein Artikel veröffentlicht, der bereits damals das Thema aufgriff und die Schaffung eines derartigen Gemeinschaftshauses als dringlich kennzeichnete. Mehr noch, der Artikel wurde in einer Serie über das damals schon „alte Lennep“ verfasst und reklamierte das Bedürfnis bereits für das 19. Jahrhundert. „Alles schon mal dagewesen“ – formulierte man mit einem gängigen Sprichwort schon um 1900 in Anlehnung an den damals bekannten Dramatiker Karl Gutzkow, der diesen Spruch seiner Figur „Ben Akiba“ in den Mund gelegt hatte. Aber auch heutzutage stolpern wir alle manchmal über Ereignisse, bei denen uns spontan in den Sinn kommt: „das hatten wir doch schon einmal, das ist doch schon mal dagewesen“. Noch heute also lässt „Ben Akiba“, ursprünglich ein weiser Rabbi der Antike, grüßen. Folgen wir nun, mit nur wenigen Veränderungen, dem historischen Kreisblatt-Artikel aus dem Jahre 1922, der übrigens vom altbekannten Lenneper Baumeister Albert Schmidt (1841-1932) geschrieben wurde, der als Unternehmer und als langjähriger ehrenamtlicher Stadtbaumeister mit der Planung und Errichtung öffentlicher und gemeinnütziger Bauten bestens vertraut war. Ob der historische Bericht verwertbare Hinweise auf die Möglichkeiten in der heutigen Gegenwart enthält, dies ist allerdings eine andere Frage.
Die Bemühungen zur Errichtung eines großen Versammlungs- und Festsaales in Lennep
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Lennep das Bedürfnis empfunden, einen großen Versammlungs- und Festsaal zu errichten, weil die vorhandenen Säle, die mit Gastwirtschaften verbunden waren, für größere Veranstaltungen oder Feste nicht genügten. Die Vereine mussten für ihre Feste jedes Mal Zelte oder mobile Hallen errichten, obwohl eine einfache Kalkulation genügt hätte, um festzustellen, dass eine bleibende Lösung kostengünstiger wäre. Die Schützenvereine vieler Städte in Rheinland und Westfalen hatten damals schon solide Schützenhäuser erbaut, die dann auch zu weiteren Zwecken benutzt werden konnten, aber in Lennep konnten sich die maßgeblichen Persönlichkeiten nicht zu der Überzeugung durchringen, dass eine großzügige kommunal errichtete Anlage rentabel sei. Natürlich hätte man auch eine Menge gemeinnütziger Einrichtungen mit einer solchen Anlage bedienen können.
Eine große Gemeinschaftliche Festhalle
Schon um 1870 träumte man aber auch in Lennep von einer großen Gemeinschaftshalle. Als erstes spielte die Frage des Bauplatzes dabei eine Rolle. Eine solide, große Festhalle auf dem prachtvollen, aber den Witterungseinflüssen außerordentlich ausgesetzten und hochgelegenen Schützenfeld in der Nähe der Knusthöhe empfand man als sehr schön. Sie würde als neues Wahrzeichen Lenneps bis zur weithin in der Ferne wahrnehmbaren Wasserscheide des oberen Wuppergebiets bemerkbar gewesen sein; allerdings wären die Baukosten unverhältnismäßig hoch gewesen. Wenn also eine solche Lage der Festhalle für Schützenfeste, große Gauturnfeste, landwirtschaftliche Feste und dergleichen nicht unpassend gewesen wäre, so wäre eine Benutzung der Festhalle für Vereine und Versammlungen doch wegen der großen Entfernung vom Stadtinnern nicht zweckmäßig, so war die Meinung.
Eine Grundstücksspekulation und eine Feldbrandziegelei am späteren Kreishaus
Einige Jahre vor dem Bau der Eisenbahn Remscheid-Lennep-Barmen-Rittershausen unternahm ein früherer Lenneper Bürger namens Richard Kombruch eine große Grundstückspekulation. Er brachte alle käuflichen Grundstücke in der näheren Umgebung der Stadt in seinen Besitz, weil er sich vorgestellt hatte, durch die Eisenbahnanlage würde eine immense Bautätigkeit entstehen und seine Grundstücke würden ihm große Gewinne bringen. Das war allerdings ein Irrtum. 30 Jahre später hat der Herr dann eingestanden, dass sich die Spekulationssumme nicht einmal normal verzinst hätte. Damit nun aber Grundstücke, die bei der voraussichtlichen Entwicklung der Stadt für öffentliche Gebäude nötig waren, nicht durch Spekulation verteuert wurden, veranlasste der damalige Bürgermeister, Herr Rudolf Trip, seine Verwandten, die Fabrikanten Gebr. Hilger, das Grundstück des späteren Kreishauses und Umgebung zwischen Kölner- und Leverkuserstraße bzw. zwischen dem Hardtschen Garten und der späteren Hermannstraße anzukaufen. Es sollte für gemeinnützige Zwecke bereitgehalten werden. Da eine baldige Verwertung dieser Art noch nicht in Aussicht stand, so wurde eine Feldbrandziegelei dort angelegt, aber bald wieder aufgegeben, weil es sich herausstellte, dass durch die primitive Fabrikation in der regenreichsten Gegend Deutschlands eine Rentabilität nicht zu erzielen war. Der unbrauchbare Abfall der Meileröfen war einfach zu groß. Auf diesem Teil des Grundstücks ist alsdann später im Jahre 1889 das Kreishaus erbaut worden, nachdem es in den Besitz der Stadt übergegangen war.
Bevor das Lenneper Kreishaus im Jahre 1889 entstand, war das Areal ein Spekulationsobjekt und kurzfristig der Standort einer Feldbrandziegelei. Auch hier – nur z.B.- hätte eine Festhalle für die Kreisstadt Lennep in gemeinnütziger Absicht entstehen können, aber es kam anders.
Eine Festhalle auf eigenes Risiko
Der nördliche Teil des genannten Grundstücks war zwischenzeitlich nach dem Ankauf durch den Herrn Friedrich Wilhelm Hilger für eine Festhalle, die gemeinnützigen Zwecken dienen und für alle Vereine benutzbar sein sollte, zur Verfügung gestellt worden. Der damalige Bürgermeister Rudolf Trip war Artillerieoffizier gewesen und ein guter Mathematiker; er liebte es, einigen jungen Bautechnikern, die unter seinen Augen aufgewachsen waren und sein besonderes Wohlwollen besaßen, mathematische Probleme aufzugeben, die dann in der Stammkneipe besprochen und meistens auch gelöst wurden. Eines Tages wurden nun diese Bautechniker, die inzwischen als selbständige Bauunternehmer fungierten, von dem Herrn Bürgermeister scheinbar offiziell mit einer großen Aufgabe betraut. Sie sollten einen modernen Plan mit Kostenanschlag für eine große Festhalle für alle möglichen Zwecke liefern, da man nun auf dem verfügbaren Grundstück den schon jahrelang schwebenden Plan verwirklichen wolle. Damit sie sich nun über die zweckmäßigsten Anlagen auf diesem Gebiet unterrichten und einen nach allen Seiten hin modernen Plan liefern konnten, wurde ihnen empfohlen, eine Informationsreise durch Rheinland und Westfalen zu machen, um die vielen Anlagen ähnlicher Art zu studieren. Es war ja selbstverständlich, dass die beiden jungen Freunde sich mit großem Eifer der Aufgabe widmeten, die ihnen der von ihnen verehrte Bürgermeister mit einer offiziellen Miene aufgegeben hatte, und so wurde eines Tages ein feiner Plan mit Kostenanschlag im Betrage von 60 000 Talern dem Bürgermeister vorgelegt. Dieser fand alles großartig, wunderbar, auch nicht zu teuer, es müsse sofort mit dem Bau begonnen werden. Auf die schüchterne Frage der beiden Glücklichen, es handelte sich hier übrigens um die Jungunternehmer Albert Schmidt und Louis Dürholt, wie es denn mit der Verdingung und der geschäftlichen Ausführung des Planes werden sollte, wurde lächelnd erwidert: Alles unnötig, Sie bauen die Anlage auf Ihre Kosten, das Grundstück erhalten Sie umsonst, reichlich Hypotheken gibt die Sportkasse und für eine rentable Verwertung der Anlage wird Sorge getragen! Beide Baugewerksabsolventen hatten vor einigen Jahren ohne jedes Kapital, wenn auch mit viel Mut und Kraft ihre Selbständigkeit gegründet und sollten jetzt die Funktionen von Kapitalisten übernehmen. Sie dankten dem Herrn Bürgermeister für seine gute Meinung, aber das schöne Himmelsbild versank in den Orkus. Jedenfalls wurde das Festhallenprojekt so dauerhaft begraben, dass es viele Jahre dauerte, bis es wieder auftauchte.
Die Idee einer Kaiser-Friedrich-Halle
Dann kam die Zeit der Denkmalüberflutung nach den siegreichen Kämpfen, die zur Gründung des Deutschen Reichs geführt hatten. Jedes Städtchen wollte sein Krieger- und Kaiserdenkmal haben, es wurden viele Millionen dafür ausgegeben. Der Zweck war an sich nicht zu verwerfen, weil außer der dankbaren Anerkennung der für das Vaterland Gefallenen auch die Erinnerung an große Führer des Volkes hier Pate stand, vor allem würde durch ein solches Vorhaben auch die Kunst gefördert und lohnende Arbeit für Künstler und Handwerker geschaffen werden. In dieser Zeit entstand in den liberal-bürgerlichen Kreisen Lenneps der Gedanke, auch ein Kaiser-Friedrich-Denkmal zu schaffen, obwohl in den höheren Gesellschaftsschichten dieser Idee wenig Sympathie entgegen gebracht wurde. Denn dort fürchtete man die Grundsätze des zwischenzeitlichen Kaisers, die er als freimaurerischer Logenbruder in Straßburg im Jahre 1886 proklamiert hatte, nämlich Gewissensfreiheit und allumfassende Liberalität. Lieber hielt man sich an seine Verwandten Wilhelm I. und später Wilhelm II.
Das Lenneper Kaiser-Wilhelm- und Kriegerdenkmal wurde am Sedanstag 1889, natürlich seinerzeit auch als Symbol des gewonnenen Krieges gegen Frankreich 1870/71, mit sämtlichen offiziellen Vertretern von Staat und Gesellschaft, mit sog. Ehrenjungfrauen, uniformierten Studenten und der Lenneper Jugend gefeiert. Es überstand den Ersten Weltkrieg, weil es aber sehr in den Kaiserplatz, den heutigen Mollplatz, hineinragte, gab es schon Anfang der 1930er Jahre Ideen, es zu verkleinern. Mitte der 1930er Jahre dann wurde die Idee umgesetzt, und Kaiser Wilhelm I. wurde auf einen eigens für ihn geschaffenen Hohenzollernplatz versetzt (s.u.). Um das Jahr 1940 dann meinte der nationalsozialistische Staat, das Metall der großen Statue für Kriegszwecke brauchen zu müssen. Der Kaiser wurde deshalb seinerzeit wie so manche Kirchenglocke „eingeschmolten“.
Denkmalfonds und Volkshalle
In Lennep wurde damals in liberalen Kreisen immerhin ein Kaiser-Friedrich-Denkmal-Fonds gegründet. Da tauchte der Gedanke auf, der beim Volk beliebte Mitbegründer des Reiches würde es auf Grund seiner Weltanschauung gern gesehen haben, wenn die gesammelten Gelder für Einrichtungen verwendet würden, die dauernd das Allgemeinwohl förderten. Man könnte wie früher bei der Versammlungs- oder Festhalle angedacht eine Kaiser-Friedrich-Halle schaffen, die geeignet wäre, allen Einrichtungen zur Förderung des Volkswohls und der Volksbildung zu dienen. Es fehlte ein genügend großes und würdig ausgestattetes Gebäude mit Einrichtungen zur Pflege der Turnerei, für politische und sonstige Volksabstimmungen und für die Vorträge des allgemeinen Bürgervereins. Es fehlte ja bisher auch ein genügender Raum für Volksbibliothek und Lesehalle, wodurch nach der damaligen Meinung die Schundliteratur bekämpft werden konnte. Durch ein großes Kino hätten schlechten Produktionen der Privatkinos bekämpft werden können usw. Wenn die Stadtverwaltung und die Vereine zusammenwirkten, dann müsste es doch möglich sein, auch in Lennep, das mit seinen gemeinnützigen Einrichtungen ja immer an der Spitze gestanden hat, ein solches Kaiser-Friedrich-Denkmal zu schaffen. In einer öffentlichen Aufforderung wurde damals geschrieben: „Würde nicht im Sinne des edlen Dulders gehandelt werden, wenn man zu seinem Gedächtnis eine Einrichtung schaffte, zum Wohle der Allgemeinheit und besonders zur Förderung der sittlichen und gesunden Volkserziehung? Wenn die Stadtverwaltung, die Vereine und alle diejenigen, welche für edle Fortentwicklung der Menschheit Sinn und Herz haben, zusammenwirken, so sollte man meinen, es müsste möglich sein, auch in unserer Stadt, die mit ihren gemeinnützigen Einrichtungen immer an der Spitze gestanden hat, ein solches Kaiser-Friedrich-Denkmal zu schaffen.“
Anders als die Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. sowie der „Eiserne Kanzler“ Bismarck erfuhr der sog. 99.Tage-Kaiser Friedrich III. in Deutschland vergleichsweise wenig Wertschätzung. Er war in seinem Todesjahr 1888 für 99 Tage lang König von Preußen und damit Deutscher Kaiser. Das liberale Bürgertum allerdings setzte große Hoffnungen in ihn, und in Lennep wurde ihm der spätere Jahnplatz für eine Zeit lang offiziell gewidmet. Bei den wilhelminischen Kaisertreuen allerdings hatte dieser Kaiser keinen Rückhalt und die Nationalsozialisten lehnten das deutsche Kaisertum sowieso ab. So wurde der Kaiser-Friedrich-Platz vor dem späteren Stadion endgültig zum Jahnplatz. Dort kämpfte man noch lange mit dem Schlamm und dem Unrat, der über die zwei hauptsächlichen Zuflüsse der Lennepe in Richtung des Lenneper „Wieschens“ das Material zu einer Befestigung heranspülte. Der Dreck wurde städtischerseits festgestampft, und nach und nach entstand auch das Lenneper Stadion. Es wurde im Jahre 1925 fertig gestellt. Zu einer Lenneper Festhalle kam es auch dort nicht.
Keine Realisierung der Pläne
Auch die Bauplatzfrage für eine große Festhalle für alle Gemeinschaftszwecke war im Laufe der Zeiten gelöst worden. Der durch die städtischen Schuttanschüttungen entstandene wundervolle Kaiser-Friedrich-Platz (später Jahnplatz) hätte eine große Halle für alle Zwecke aufnehmen können, ohne im Geringsten die sportlichen Einrichtungen zu behindern. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wäre eine solche Anlage vielleicht möglich gewesen, aber zu einer wirklichen Ausführung der seit Jahrzehnten schwebenden Idee ist man nie gekommen, obwohl sich in den Dezennien vor 1914 dem Weltkrieg Handel und Industrie auch und gerade in Lennep fieberhaft entwickelten.
Der Kaiser Wilhelm I. hätte es sich wohl 1889 nicht träumen lassen, dass man ihn dereinst vom Kaiserplatz am Berliner Hof weg versetzen würde. Das hatte nicht nur verkehrsplanerische Gründe. In einem mundartlichen Gedicht heißt es in Lennep dazu, dass eine Zeit kam, in der „Kaisersch nix mehr golten“. Der dem Kaiser Mitte der 1930er Jahre neu zugewiesene „Hohenzollernplatz“ an der Ring-, Friedrich-, Hermann- und Zeppelinstraße behielt seine Funktion bekanntlich auch nicht lange. Erst wurde der metallene Kaiser eingeschmolzen, später hatten die Lenneper nach dem Weltkrieg kaum noch royale bzw. imperiale Interessen. So wurde nach und nach ein Kinderspielplatz daraus, heute immerhin mit mehr Baumbestand als auf der vormaligen Platzanlage.