Heute greifen wir wieder einmal in die historische Kiste, wo die alten Fotos aus vergangener Zeit liegen. Sie sind ja nicht nur im Remscheider Stadtarchiv anzutreffen, sondern auch in zahllosen privaten Alben, in Remscheid, Lennep und anderswo. Unser heutiges Foto stammt aus dem Familienalbum der Familie Schmidt vom Lenneper Mollplatz, der Inhalt wurde dort direkt nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt, das Album selber stammte aus Bamberg, wo sich ein Teil der Familie vorher kriegsbedingt bei einer ehemaligen Lenneperin, einem Familienmitglied, einquartiert hatte. Angemessenen Klebstoff für das Album gab es in Lennep nicht, nicht einmal beim Schmitz, der Buchhandlung und dem Schreibwarengeschäft in der Wetterauer Straße. Darum wurde der Klebstoff im Hause Schmidt selbst hergestellt, und zwar mithilfe von Kartoffelstärke, und der selbst gezogene Tabak hing dabei frisch fermentiert quer durchs Zimmer zum Trocknen aus. Nichtsdestoweniger wurde aber wie gesagt das Album angelegt, von dem hier die Rede ist. Im Hause Poststraße 1, später Mollplatz 7, heute befindet sich dort das Anwesen Lüttringhauser Straße 2 mit Jouhris Grill, wurden also seinerzeit in das neue Album Lenneper Fotos eingeklebt, ein Familienalbum war geplant, und das musste natürlich in der Vergangenheit beginnen. Da lag das schräg gegenüber dem Elternhaus liegende Kaiserdenkmal natürlich nahe, im wörtlichen und auch im übertragenen Sinne, es war im Jahre 1889 entstanden und begleitete ja die Geschichte des heimischen Anwesens schon mehr als ein halbes Jahrhundert.
Wir sehen hier das Lenneper Kaiserdenkmal in seiner ursprünglichen Pracht. In der Tat: es ist ja auch mit Girlanden und Fahnen versehen, u.U. wurde hier gerade der sog. Sedantag gefeiert, an dem das Denkmal im Jahre 1889 enthüllt worden war, oder wurde das Foto just in diesem Jahr vor oder nach der Eröffnung aufgenommen? Leider ist das Foto nicht datiert. Von der Enthüllung des Kaiser- und Kriegerdenkmals sind ja zahlreiche Fotografien überliefert, die ebenfalls auf der Mauer an der Alleestraße, dem heutigen Thüringsberg, zum ehemaligen Landratsamt hin (heute Lebenshilfe) den Festschmuck zeigen. Das Gebäude links ist den älteren von uns ja noch mit dem Namen Senf Thomas verbunden, in der Zeit unseres Fotos beherbergte es jedoch eine „Restauration zur Post“. Die Kaiserliche Postanstalt lag direkt gegenüber am Beginn der Elberfelder, heute Lüttringhauser Straße. Rechts des Denkmals erblickt man noch den vorderen Teil der ehemals Hermann Mühlinghaus´schen Textilfabrik, die heute in veränderter Form der Lebenshilfe dient. Anders als auf vielen zeitgenössischen Fotografien sind die Personen auf unserem Foto nicht nachträglich als Staffage eingefügt, es gab sie damals also wirklich, fast glaubt man, dass hier Mütter mit ihren Kindern promenieren und eine Kinderbewahranstalt oder Schulklasse des Bürgertums einen Ausflug macht, jedoch wird das Denkmal von einem Halbuniformierten bewacht, vielleicht ein Reservist, der dem Treiben des Volkes Einhalt gebieten musste. Vieles war ja damals „bei Strafe“ verboten wie z.B. das Betreten der öffentlichen Grünanlagen. Der Kaiser selbst ist übrigens sehr gut auf dieser Fotografie zu erkennen. Bei entsprechender Vergrößerung sieht man Einzelheiten dieses Bronzebildnisses des Kaisers Wilhelm I., der ja heutzutage, auch in Lennep, oftmals mit seinem Enkel Wilhelm II. verwechselt wird. Von den beiden Adlerstelen links und rechts der Treppe sieht man auf unserem Foto nur eine, gut erkennbar ist das eiserne Gitter, welches das Denkmal umgrenzt. Bekanntlich sind die aus Muschelkalk gefertigten Schrifttafeln mit den Namen der Lenneper Gefallenen der Kriege von 1866 und 1870/71 heute am Ehrenmal an der Lenneper Albert-Schmidt-Allee angebracht. Mancher noch lebender Lenneper sah sie allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg noch an der Mollplatzanlage, die allerdings nach und nach von ihrer ursprünglichen Schönheit und Größe damals schon das meiste eingebüßt hatte. Immerhin saßen wir Kinder dort noch oft auf den Bänken oberhalb der Stufen am Aufgang zur Denkmalfläche. Bei der gänzlichen Umgestaltung des Mollplatzes Anfang der 1960er Jahre fiel dann der Rest des Denkmalareals der Spitzhacke zum Opfer.
Das Lenneper Kaiser-Wilhelm- und Kriegerdenkmal wurde am Sedantag 1889, am 02. September des Jahres, damals auch als Symbol des gewonnenen Krieges gegen Frankreich 1870/71, mit sämtlichen offiziellen Vertretern von Staat und Gesellschaft, mit sog. Ehrenjungfrauen, uniformierten Studenten und der Lenneper Jugend gefeiert. Es überstand den Ersten Weltkrieg, weil es aber sehr in den Kaiserplatz, den heutigen Mollplatz, hineinragte, gab es schon Anfang der 1930er Jahre Ideen, es zu verkleinern. Mitte der 1930er Jahre dann wurde die Idee umgesetzt, und Kaiser Wilhelm I. wurde im wörtlichen und im übertragenen Sinne auf einen eigens für ihn geschaffenen Hohenzollernplatz an der Ringstraße in der Nähe der Trecknase versetzt. Man kann auch sagen, er wurde dahin verbracht oder strafversetzt, denn die königlich-kaiserliche Tradition war der nationalsozialistischen Staatsführung sowieso ein Dorn im Auge. Um das Jahr 1940 dann meinte der nationalsozialistische Staat, das Metall der großen Statue für Kriegszwecke nutzen zu müssen. Der Kaiser wurde deshalb wie so manche Kirchenglocke, wie die Lenneper sagen “eingeschmolten”. Der künstlerische Schöpfer des Standbilds war übrigens Robert Baerwald (1858 -1896), ein deutscher Bildhauer mit gediegener Ausbildung. Schon ein erster Großauftrag für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal hatte ihn zuvor zu einem bekannten Denkmalschöpfer werden lassen. Das Lenneper Standbild Kaiser Wilhelms I. kam mit geringen Variationen in einer Reihe von Städten zur Ausführung. Ein früher Tod beendete überraschend die erfolgreiche Karriere des Künstlers. Wenig bekannt ist, dass die Gesamtanlage des Denkmals seinerzeit vom durch den aus Köln stammenden Berliner Geheimrat Franz Heinrich Schwechten verantwortet wurde, der in den Jahren 1887-89 im Auftrag des in Lennep amtierenden Landrats Richard Königs das neue Kreishaus an der oberen Kölner Straße realisierte.
Kehren wir noch einmal zum erwähnten Familienalbum zurück.
Natürlich fand auch unser zweites Foto Eingang in das Familienalbum, weil der Blick von der evangelischen Stadtkirche her im oberen Teil auf den Mollplatz, den damaligen Kaiserplatz gerichtet ist. Das später verkleinerte Denkmalareal mit der mit einem eisernen Geländer bewehrten Ummauerung reicht hier noch weit in den Platz hinein, der vor seiner kaiserlichen Benennung einfach eine Örtlichkeit „Vor dem Lüttringhauser Tor“ war, wo nach der unbestätigten Überlieferung im Spätmittelalter ein drehbarer Pranger, das sog. Driesels- oder Tirvelshäuschen gestanden haben soll. Der Bereich des Denkmals ragt hier noch fast bis zur Ecke des ersten Hauses an der heutigen Lüttringhauser Straße vor, und wenn man die damalige Barmer Straße (heute: Am Schellenberg), hinunter wollte, musste man um das Denkmal herum dicht am jetzigen Mollplatz 2, dem ursprünglichen Wohn- und Geschäftshaus der Waltherschen Tuchfabrik auf der Knusthöhe, vorbei. Bis heute ist ja hier die Durchfahrt bei der ehemals Mühlinghaus´schen Fabrik sehr eng. Im vorderen Bereich des historischen Fotos sieht man im Vergleich zur heutigen Bebauung sehr gut, wie sehr diese im Verlauf des 20. Jahrhunderts Federn lassen musste. Aus den verschiedensten Gründen wurde hier insbesondere ab den 1960er Jahren ausgedünnt, so dass wir Heutigen die vormalige Situation nur noch aus Fotos wie den hier vorliegenden kennen, und insbesondere fällt die ehemalige Fülle und Verschachtelung bei den Fotografien auf, die schräg von oben gemacht werden konnten.
Am oberen Rand der Aufnahme links fällt den Lennepern natürlich besonders die Rudolf Hardt´sche Villa ins Auge, umgeben von einer großen Park- bzw. Gartenanlage, die bis hinunter zur heutigen Gartenstraße reichte. Frühe Aufnahmen der Gartenstraße und ganze Lenneppanoramen wurden oft vom Dach dieser Villa bzw. ihres großen Gärtnerhauses gemacht, u.a. vom damaligen Buchhändler Richard Schmitz aus der Wetterauer Straße. Auf der anderen Seite der heutigen Lüttringhauser Straße ist auch das Gebäude eines jetzigen Städtischen Kindergartens zu sehen, ursprünglich von der Familie Daniel Hilger erstellt, jedoch bald schon an den Fabrikanten Hermann Mühlinghaus verkauft. Ja, gerade die früheren Lenneper Villen haben haben ihre eigene Geschichte, auch deshalb, weil sich heute kaum noch jemand findet, der diese oftmals denkmalgeschützten Bauten erhalten kann und will.
Sehr gut wiedererkennbar für ältere Mitbürger, die Lennep schon in der Zeit um 1970 kannten, ist der große heute nicht mehr vorhandene Komplex am Beginn der Lüttringhauser Straße, mit dem ehemaligen Polizeigebäude, das im letzten Drittel des 19. Jahrhundert als moderne Postanstalt der darüber liegenden uralten Pferdepost zu gesellt wurde. Dort erkennt man noch die ehemaligen Kutscherwohnungen und das ehemalige Stallgebäude ungefähr parallel zur Lüttringhauser Straße und gegenüberliegend an der Ecke zur Knusthöhe das historische Gasthaus „Im Weinberg“ oder auch „Schingen“, weil es gegenüber dem gleichnamigen Flurstück lag. Auch und gerade hier war die aus Lennep herausführende Straße nach Lüttringhausen früher äußerst schmal, ebenso so schmal wie an der Poststraße zwischen dem Hotel Berliner Hof und dem gegenüberliegenden Haus, meinem bereits eingangs erwähnten Vaterhaus. Ich selbst habe diese Enge der Straße bis zum Anfang der 1960er Jahre noch erlebt, ein Auto und die Straßenbahn nach Remscheid bzw. Lüttringhausen passten hier gerade durch, mehr nicht, und man konnte einen Kirschkern von einem Bürgersteig zum anderen spucken. Darum wurden Poststraße und Lüttringhauser Straße seinerzeit verbreitert bzw. gänzlich umgestaltet. Leider fielen dieser Maßnahme mehrere historische Bauten zum Opfer.