Kirchliche Erinnerungen in Lennep

23 November 2012 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Liebe Freunde der Bergischen Landes, liebe Lenneper, wir nähern uns nunmehr mit Macht der Weihnachtszeit, und wie schon in den letzten Jahren suchte ich in meinem Lenneparchiv nach Bildern und Berichten, die in diese Zeit passen, und die nicht nur bei mir längst vergessene Erinnerungen wecken und ein Licht auf unsere Heimatgeschichte werfen können. Diesseits aller Heiligkeit und der eigentlichen Glaubenssphäre wollen wir uns heute einmal mit ein paar kirchlichen Ereignissen beschäftigen, auch solche sind selbstverständlich in meinem Lenneparchiv vorhanden.

Ich erinnere mich noch sehr deutlich, wie ich als Kind einmal vor dem Altar der Lenneper Stadtkirche stehend einen Teil der Weihnachtsgeschichte vorgetragen habe oder besser vortragen musste, denn angenehm war mir das damals nicht, und es geschah unter beträchtlicher Aufregung und spürbarem Herzklopfen. Die in der Stadtkirche verbrachte Kinderzeit und insbesondere die Kindergottesdienste dort sind mir aber unter dem Strich noch sehr schön und anheimelnd präsent, und so manche einschlägige Zeitzeugnisse von damals haben die Familie noch lange sichtbar begleitet.

So trank meine Großmutter noch bis zu ihrem Tod um 1980 aus einer Tasse, die in goldener Schrift den Aufdruck trug Kindergottesdienst 1952, und an der Wand hing bei ihr ein Holzbrettchen mit dem Liedzitat Jesu geh voran auf der Lebensbahn. Die Tasse und das Holzbrettchen erhielten damals die Kindergottesdienstteilnehmer als Jahresgabe, einmal erhielten wir auch eine Postkarte mit Kindermotiv, worunter das Bibelzitat aus Markus 10 Vers 14 abgedruckt war: Lasset die Kindlein zu mir kommen. Auf der Rückseite der von der Agentur des Rauhen Hauses Hamburg herausgegebenen Postkarte standen ein Bibelspruch und der Text: Auch Du bist herzlich zu unserem Kindergottesdienst am Sonntag eingeladen“. Pfarrer Spengler, der im Übrigen die Feste meiner Familie über 50 Jahre begleitet hat und dabei auch bei Kuchen, Wein und Schnittchen zulangte, hatte auf diese Rückseite per Stempel seine Unterschrift setzen lassen, und hinter diesem Stempel war noch mit blauer Tinte handschriftlich das Kürzel für Pfarrer gesetzt. Als wenn wir dies nicht auch so gewusst hätten! Schließlich waren die Pfarrer damals für uns alle bekannte Respektspersonen. Einer soll übrigens bei Ruhestörungen im Konfirmandenunterricht mit der Bibel nach den Übeltätern geworfen haben.

Pfarrer Spengler ist natürlich auch auf dem Gruppenbild anlässlich meiner Konfirmation im Jahre 1961 zu sehen, wie immer mit seinem Hut in der Hand und mit leicht nach rechts geneigtem Kopf wurde er mit der Konfirmandenschar auf den Stufen des Lenneper Kaiserdenkmals abgelichtet, so ich sehe ihn noch leibhaftig vor mir, Generationen von Konfirmanden haben hier so gestanden, mit und ohne den Kaiser, auf den wir noch zurück kommen werden, bis das ganze Denkmal in den 1960er Jahren abgerissen wurde.

Natürlich bekamen wir zur Konfirmation auch unseren persönlichen Denkspruch, und dies erinnerte mich jetzt daran, dass ich in meinem Lenneparchiv auch mehrere historische Exemplare dieser Gattung verwahre. Einer stammt aus dem Jahre 1925, ausgefertigt vom damaligen evangelischen Pfarrer Heim. Die Urkunde ist ganz für Lenneper Verhältnisse gestaltet, mit graphischen Hinweisen auf das Äußere und Innere der Stadtkirche und der heute nicht mehr existenten Friedhofskapelle an der Mühlenstraße. Den Lenneper Kirchenwahlspruch Ich bin der Weg, der Wahrheit, und das Leben aus Joh. 14, Vers 6 erblickt man in einer aufgeschlagenen Bibel blumenumrankt über einer Tafel mit den zehn Geboten, weitere graphische Hinweise verweisen auf das evangelische Abendmahl und den Quell des geistlichen Lebens.

Ganz anders schaute im Lennep des 19. Jahrhunderts ein sog. Firmzettel der Katholiken aus, den ich als Original ebenfalls in meinem Archiv verwahre. Er folgt der eher bildlosen Tradition der katholischen Ablasszettel im 19. Jh., ein paar geometrische Schmuckbalken am Rand umrahmen den Text, der darauf verweist, dass Albert Welft oder Wolff, so lese ich den Namen des Firmlings, in der Pfarrkirche zu Lennep am 7. Juli 1847 gefirmt wurde, und zwar letztlich im Namen Seiner Erzbischöflichen Gnaden, dem hochwürdigsten Erzbischofe von Cöln, Johannes von Geissel (1796-1864). Da es die jetzige Katholische Kirche von 1868 damals noch nicht gab, fällt diese Firmung also noch in die Tätigkeit der Klosterkirche, und der damalige Pfarrer Titz, Nachfolger des legendären Pfarrers Baudri (1804-1893), unterzeichnete den Firmzettel.

Die Originaldokumente des Lenneparchivs gehen allerdings auch was die Geschichte der katholischen Kirche betrifft wesentlich weiter zurück. Nachdem im Jahre 1803 im Zuge der Säkularisation alle Klöster im Herzogtum Berg aufgehoben worden waren, mussten die Minoriten Lennep verlassen und nur Pater Rinck blieb mit einem Klosterbruder als Küster zurück. Aller Klosterbesitz wurde staatlich verwaltet. Das eher ärmliche Hab und Gut der Klosterbrüder wurde noch 1803 inventarisiert, verkauft und im Dezember 1804 das armselige Mobiliar zuletzt öffentlich versteigert. Damit trat der Pastor Rinck, der vormalige Guardian oder Konventsvorsteher des Klosters, ein schweres Erbe an. In einer bei mir im Original erhaltenen Niederschrift vom 06. Juli 1806 stellt der Pastor und Magister Adalbert Rinck fest: „Unsere in Lennep mit nichts fondierte katholische Kirche wurde von je her von den Kloster – Geistlichen in allen Bedürfnissen bestritten“. Jetzt war man nur noch auf den Klingelbeutel angewiesen, der allerdings in den Jahren 1804-1806 naturgemäß nicht viel hergab. Am 6. Juli 1806 belief sich das Vermögen auf ganze 3 Mark, 50 Stüber und 3/4 Bruchstüber.

Auch so manche alte Fotografie meines Lenneper Archivs verweist wie die schriftlichen Dokumente direkt auf das kirchliche Leben der Vergangenheit. So z.B. eine Aufnahme mit zahlreichen weiß gekleideten Mädchen, in deren Mitte, überhöht wie eine Königin, eines besonders herausgehoben ist. Unwillkürlich denkt man an eine Marienverehrung im Spiel, u. U. anlässlich des Festtages von Mariae Himmelfahrt, der in der Römisch-katholischen Kirche am 15. August begangen wird. Die Beschriftung auf der Rückseite des Bildes, auf der eindeutig der Bezug zum alten Lenneper Katharinenstift zwischen Schwelmer und Hackenberger Straße bezeugt wird, lässt aber auch eine andere Deutung zu, eher wohl handelt sich bei dieser Fotografie um eine Aufführung des Shakespeareschen Sommernachttraums seitens der katholischen Jungmädchen. Der Sommernachtstraum war seit dem 19. Jh. ein Klassiker für Schul- und Laientheaterinszenierungen nicht nur in England, und die überhöhte Mittelfigur wäre dann nicht Maria, sondern die Königin Titania inmitten ihrer Elfen, durchsichtig-weiß-silbrig glänzend als märchenhafte Lichtgestalten.

Kehren wir zuletzt zum bereits erwähnten Kaiser am Mollplatz (früher: Kaiserplatz) zurück, dessen kunsthistorisch durchaus beachtenswertes Bronzestandbild in Lennep am Sedanstag 1889 enthüllt worden war, und dem es 1935 buchstäblich an den Kragen ging, als eine Lenneper Baufirma ihn mit einem Kran auf ein Transportgefährt hievte und über die Kölner Straße an den damals sog. Hohenzollernplatz zwischen der oberen Ringstraße, Herrmann- Friedrich- und Zeppelinstraße versetzte. An der eigens für ihn umbenannten Örtlichkeit residierte er jedoch nicht lange, denn schon bald sollte sein Metall kriegswichtigen Zwecken dienen und wurde eingeschmolzen. So was kannte man seinerzeit ja noch aus dem Ersten Weltkrieg, und sogar Privatpersonen gaben ihr Edelmetall für wertlose Dankesringe und Eisenbroschen her. Gold gab ich für Eisen, diese Parole aus der Preußischen Geschichte schon der Freiheitskriege von 1813 bis 1815, war um 1940 noch im Gedächtnis, und dies sollte nun auch die Kirchengemeinden betreffen, deren Sakralbauten über Glocken verfügten, die man ebenfalls gut einschmelzen konnte. So kam dies im Jahre 1942 auch auf die katholische Kirche in Lennep zu, die wie die evangelische Fraktion ihre Glocken seit Kriegsbeginn sowieso nur zu bestimmten Zeiten läuten durfte. Die Glocken der katholischen Kirche in Lennep stammten aus dem Jahre 1924 und mussten nun abgegeben werden. Das überlieferte Bild zeigt den damaligen Pfarrer Otto Derichs zwischen zwei weiteren Männern der Kirche, die sich zusammen mit mehreren Jungen um die abzugebende Glocke scharen. Im Hintergrund sieht man auch zwei Mädchenschöpfe. Einer der Jungen im Vordergrund (vorne links) ist mir sogar persönlich bekannt. Er lebt auch heute noch in Lennep und wurde privat ein Lennepsammler, d.h. er erwarb über viele Jahre alle möglichen Bilder und Dokumente zur Geschichte der Stadt. Nach dem Krieg wurden im Mai 1949 drei neue Glocken aus Stahlguss aufgezogen, die von einer finanzkräftigen Persönlichkeit vom Nagelsberg gespendet wurden. Auch von diesem Lenneper Ereignis gibt es in meinem Archiv noch zwei Privataufnahmen, man sieht die neuen Glocken vor dem Eingang der Kirche, man kann sogar deren Aufschrift lesen.

Aber lassen wir mit diesem Ausflug ins Archiv sein Bewenden haben, wie man früher so sagte. Ich wünsche allen Interessierten eine schöne und besinnliche Adventszeit. Vielleicht kramen ja auch Sie mal in Ihren Materialien von früher und vergrößern mit den heute möglichen Techniken die Details. Sollten Sie auf Interessantes dabei stoßen, auch mich würde das interesieren.

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