Nachkriegserinnerungen in Lennep

16 November 2020 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Beim vorweihnachtlichen Kehraus meiner Lenneper Materialien, beim Großreinemachen vor dem Jahresende stieß ich dieser Tage auf Unterlagen aus der Nachkriegszeit, die ich vor rund zwanzig Jahren von einem meiner Archivvorgänger übernommen hatte. Der inzwischen Verstorbene war ein echter Lenneper Jung und zeichnete neben manch anderen historischen Begebenheiten auch eigene Erlebnisse aus der Nachkriegszeit auf, oft auch aus dem katholischen Bereich Lenneps, dem er angehörte. Gerade, weil er wenn immer möglich seinen Erinnerungen Bildmaterial zufügte, ist so manches, was auf uns heute überkommen ist, immer noch interessant, für die Archive natürlich, aber auch für uns Jüngere, die wir an der Geschichte Lenneps und des Bergischen Landes interessiert sind. Gerade in einer Zeit, in der uns gezwungenermaßen der Weg in die Öffentlichkeit oft versperrt ist, hat ja das Lesen wieder eine neue Dimension bekommen, auch am PC-Bildschirm oder über das Handy. In der letzten Zeit höre ich aber öfters, dass vielerorts unsere Lenneper Geschichten auch ausgedruckt und in Ruhe im Sessel gelesen oder vorgelesen werden, um sich zu vergegenwärtigen, wie es früher war. Also dann …

Kaplan Schneider 

Kaplan Schneider verstand es, die Jugend zu motivieren und zusammenzuhalten. Schon in den Kriegsjahren war dies der Fall. Er war ein Hirte im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder lag ihm am Herzen. Ich will nur ein Beispiel herausnehmen, schreibt der Lenneper Jung, was zugegeben für mich persönlich nicht gerade schmeichelhaft war: Am Anfang der vierziger Jahre hatte ich in Latein auf dem Zeugnis eine fünf. Kaplan Schneider erfuhr hiervon. Nicht, dass er meine Eltern zu einem Gespräch aufgesucht hätte, nein, er rief mich zu sich in die „Kaplanei“. Dort in seinem Zimmer wurde gebüffelt und zwar so lange, bis es saß. Als Respektsperson, die er nun mal aufgrund seines geistlichen Standes war, hatte ich so viel Ehrfurcht, dass auf dem Zeugnis zukünftig nie wieder eine 5 stand. Erfahren von dieser Nachhilfe hat niemand etwas, und ich bin sicher, dass ich nicht sein einziger „Fall“ war. Jedenfalls verbindet mich mit seinem Namen die Erinnerung an schöne, erlebnisreiche Stunden.

Sorpe-Zeltlager 1949

Zum „Sorpe-Zeltlager“ 1949 fällt mir auch was ein: An den letzten Tagen eines Zeltlagers war es üblich, den „Donnerbalken“ nicht mehr zu benutzen. Er wurde angesägt, das hieß, dass der Benutzer unter Umständen unsanft in der Kuhle landete. Ich vergesse nie: Rektor Even muss wohl dieses Unglück widerfahren sein. Es war die Lagersensation. Aber auch das ist mir noch in Erinnerung. Das Donnerwetter vom Kaplan war nicht von schlechten Eltern. Wir wurden auch allesamt bestraft, ich weiß nur nicht mehr womit. Seinerzeit wurden die Ferienlager für Jungen und Mädchen immer getrennt durchgeführt. Egal wo. In der Regel waren für die Mädchen feste Unterkünfte wie Scheunen, Klöster oder dergl. vorgesehen, wohingegen die Jungen in Zelten wohnten. Die nachstehenden Bilder lassen auf den Komfort dieser Zeltlager schließen. Man beachte die Zelte: Teilweise wurden alte deutsche Zwei- Mann – Wehrmachtszelte verwandt, die aus zwei Planen aus mehr oder weniger imprägniertem Tarnstoff bestanden. Die einfarbigen grün-grauen Zelte stammten von den Amerikanern. Die Großzelte wurden uns in der Regel vom Stadtjugendbund geliehen, erst später besaß die kath. Jugend eigene Zelte.

Abb. 1 Abb. 2

Ich will noch besonders hervorheben, dass alle Zelte ohne Boden waren. Wir schliefen auf Stroh. Darüber war eine Wolldecke ausgebreitet. Als Kopfkissen diente ein „Affen“, der stammte in der Regel aus der Hinterlassenschaft der aufgelösten deutschen Wehrmacht. Ungemütlich wurde es in den Zelten nur bei Regen. Zur Vorsicht wurden schon vor der Belegung von außen rund um die Zelte kleine ca.20 cm tiefe Gräben gezogen, in die das Wasser von den Zeltdächern absickern konnte. Zum Zeltplatz gehörte immer ein Feldaltar, denn die tägliche hl. Messe nach dem Waschen war unumstößlich, genau wie das Lagerkreuz, das spätestens am 2. Tag stand, wenn es nicht schon vorher von der „Vorhut“ aufgebaut war. Für uns war es später, als wir schon zu den älteren Teilnehmern gehörten, das schönste, zur Nachhut zu gehören. Dann gab es nur noch ein paar Tage richtiges Zigeunerleben, ohne Zwang (auch ohne Waschen und hl. Messe). Bis der Zeltplatz wieder aufgeräumt war, war es das Letzte am Abend, bevor wir nach Hause fuhren, das Lagerkreuz und das Stroh abzufackeln. In der Glut des erlöschenden Feuers wurden dann die restlichen Kartoffeln gegart. Am nächsten Tag stand dann der Fuhrunternehmer Hackenberg auf dem Platz, lud uns mitsamt dem Zelt und sonstigem Material auf seinen offenen LKW und brachte uns zurück nach Lennep. Man stelle sich das heute vor: ungesichert auf der Ladefläche eines LKW.

Abb. 3 Abb. 4

Der Fellhändler und das Katharinenstift

Eine weitere Geschichte aus der Nachkriegszeit betrifft einen Fellhändler, der angeblich Antek Lose hieß. Dieser soll in der alten Kölner Straße gewohnt haben, bis er aus Altersgründen in das Lenneper Katharinenstift zwischen der Schwelmer und der Hackenberger Straße übersiedelte. Gegenüber vom Kreishaus auf dem Bahngelände hatte er wohl im Parterre eines Hauses einen Fellankauf. In der sog. „schlechten Zeit“ nach dem letzten Weltkrieg wurden in Lennep neben Hühnern auch oft Kaninchen zur Eigenversorgung gehalten. So wie die Kinder mit den alten Bleirohren der zerstörten Häuser zum Schrotthändler gingen, brachten sie die Felle der geschlachteten Kaninchen hier hin, um sich ein wenig Geld zu verdienen. Der Fellhändler nahm die Felle der geschlachteten Kaninchen, die ihm von Kindern gebracht wurden, hielt sie lange unter der Nase und beschnüffelte das Fell. Er sagte dann jedes Mal: „Tien Penning“ und der Kauf war abgeschlossen. Der Geruch der frischen Schlachtfelle, man kann auch sagen: der Gestank war erheblich und setzte sich im Hause des Fellhändlers und natürlich auch auf ihn selbst nieder. Man kann sich denken, wie oft er im Katharinenstifts eingeweicht werden musste, bevor seine Übersiedlung dorthin endlich erfolgreich vollzogen werden konnte.

Abb. 5

 Glockenabgabe 1942

Mit unserem letzten Lennepfoto unten gehen wir aus der Nachkriegszeit noch einmal zurück in die Zeit davor. Der Berichterstatter der oben wiedergegebenen Lenneper Ereignisse hatte nämlich in seinen später veräußerten Materialien auch ein Foto, das ihn und weitere Lenneper mit einer großen Kirchenglocke zeigt. Auf der Rückseite hatte er notiert: „Unsere letzte Glocke“. So wie das Lenneper Bronzedenkmal des Kaisers Wilhelm I. in der Zeit des Nationalsozialismus für „kriegswichtige Zwecke“ eingeschmolzen wurde, so auch Glocken der katholischen Kirche. In dem Büchlein „Kirchliches Leben in Lennep“ heißt es dazu in dem Kapitel „Die katholische Gemeinde 1900-1945″: „1942 – Die Glocken müssen abgegeben werden“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Nicht alle Lenneper wissen das heutzutage, aber manche Lenneper erinnern sich noch daran.

Abb. 6

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