Von alters her, wie man so sagt, ist es zu Pfingsten Sitte, ein Schützenfest und eine Pfingstkirmes zu veranstalten. So auch in Lennep, zu der Zeit, als es bergisch-preußische Kreisstadt war, aber auch schon früher und später in der Weimarer Zeit, in den 1930er Jahren und bis heute.
Natürlich wissen wir alle, ob katholisch oder evangelisch, dass das Pfingstfest und die damit zusammen hängenden Feierlichkeiten kirchlichen Ursprungs sind. Und die frühere gesellschaftliche Bedeutung des Festes lässt sich noch an dem Ausspruch erkennen: Dä hätt seinen pingstbesten Anzug an. Nicht nur für den Pfarrer machte man sich fein.
Der Name Pfingsten leitet sich von dem griechischen Wort pentekoste, der Fünfzigste, ab. In seiner ursprünglichen Bedeutung verweist er auf den zeitlichen Abstand zu Ostern, den Abstand von 50 Tagen. Pfingsten folgt immer auch 10 Tage auf Christi Himmelfahrt und mit Pfingsten endet insgesamt die österliche Zeit. Was an Pfingsten jedoch eigentlich gefeiert wird, weiß Umfragen zufolge nur noch eine Minderheit der Deutschen. Im Neuen Testament wird in der Apostelgeschichte erzählt, dass der Heilige Geist auf die Apostel und Jünger herabkam, als sie zum jüdischen Fest Schawuot in Jerusalem versammelt waren. Dieses Ereignis wird in der christlichen Tradition auch als Gründung der Kirche verstanden. Als christliches Fest wird Pfingsten allerdings erstmals im Jahr 130 erwähnt.
In früheren Zeiten wurde das Pfingstfest, vor allem in ländlicheren Gegenden, in wesentlich größerem Umfang gefeiert als heute. Davon zeugen nicht nur die vielfältigen Bräuche, die heute z.T. verlorengegangen sind, sondern auch Jahrmarkts-Veranstaltungen mit Karussells, Buden und Ständen. Insbesondere im Rheinland und in Westfalen warten die Veranstaltungen immer wieder mit einer Fülle von Attraktionen auf.
Besonders im Rheinland auch veranstalten sogenannte Pfingstreiter Aus- und Umritte sowie pittoreske Reiterspiele. Derartige Pfingstbräuche haben ihren Ursprung in früheren Heerschauen, die Volkskundlern zufolge sogar bis ins alte Rom zurückgehen. Mit dem Heiligen Geist haben sie weniger zu tun.
In meinem Lenneparchiv stieß ich dieser Tage auf ein paar Fotos aus der Zeit um 1927, die einen Schützenumzug am Kölner Tor vor dem Kaufhaus Karststadt zeigen. Zu sehen sind Mitglieder der Schützen- und Turnvereine in Uniform und mit ihren Fahnen, die Schützenkönigskutsche und die Musikkapellen, insbesondere die Trommler und Pfeifer. Ich selbst kann mich noch erinnern, dass mir in Lennep während der Kirmeszeit am Mollplatz das Trommler- und Pfeiferkorps am sonntäglichen Morgen in aller Frühe den Schlaf raubte, es ging dann zunächst zum Ehrenmal auf der Knusthöhe, manchmal zogen wir Kinder auch mit durch die Stadt und sahen z.B. beim König von Preußen oder bei Käse-Kugel zu, wie sich die Musiker dort mit einem Klaren oder Bittern stärken ließen.
Das Marschieren auf den Straßen, die Ausmärsche der Vereine sind heute seltener als noch in der Nachkriegszeit und seltener vor allem als in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Wenn man bedenkt, was das Kölner Tor in Lennep allein in der Zeit der Weimarer Republik und der Hitlerzeit an Aufmärschen erlebt hat, so wird man dies vielleicht auch gut heißen.
Gänzlich unpolitisch waren übrigens auch die Aufmärsche der Schützen und Turner nicht. Sie hatten in der Regel auch eine nationalpolitische Bedeutung, wenn auch versteckter als bei den Aufmärschen der Nationalsozialisten und Kommunisten, von denen es in Lennep in den 1920er Jahren und bis 1933 bekannterweise auch sehr viele gab, sogar mit Todesopfern. Aber nicht alles war bei den Umzügen und Aufmärschen nur politisch. Bolle reiste jüngst zu Pfingsten…, das gab es auch im Bergischen Land, und man verlor oft nicht nur seinen Jüngsten im Gewühl.
Im Gegensatz zur geordneten Marschform zu Beginn der Festlichkeiten verhalfen die Produkte der Kornbrennerei Finger an der Kölner Straße oder der Beyenburger Schnapsbrennerei Braselmann nicht nur zur gehobenen Stimmung, und so manche „Alte“ hat wie im Berliner Volkslied auf ihrem nächtlich heimkehrenden „Helden“ ne volle halbe Stunde herumpoliert.
Bei den Fotos vom Pfingst-Schützenfest aus dem Jahre 1927 fällt aber etwas Besonderes auf. Deutlich erkennbar sind hier nämlich Formationen des heute in der Bevölkerung kaum noch bekannten Jungdeutschen Ordens, speziell der Gefolgschaft Lennep der Ballei Bergisch-Land. Insgesamt war der Jungdeutsche Orden, auch einfach Jungdo genannt, eine zeitlich nur vorübergehende Erscheinung in Deutschland, die insbesondere auch im Rheinland sehr zahlreiche Anhänger hatte, national-konservativ und von der Jugendbewegung beeinflusst. Obwohl Juden keine Mitgliedschaft erhalten sollten, war der sozialromantische Bund ansonsten recht entfernt vom Denken der Nationalsozialisten und näherte sich in manchem den Liberalen und sogar der SPD an, beispielsweise auf dem Gebiet der Völkerverständigung. Der Jungdeutsche Orden wurde 1920 in Kassel vom seinem späteren Vorsitzenden Artur Mahraun (1890-1950) gegründet. Die Mitgliederzahl der nach dem Vorbild des historischen Deutschen Ordens strukturierten Organisation war in mehreren tausend Bruder- und Schwesternschaften gegliedert. Die Mitgliedszahl betrug bereits im Sommer 1921 rund 70.000, wuchs bis auf rund 400.000 an, fiel aber dann von 1930 bis 1933 wieder auf ca. 40.000 ab. Der Jungdeutsche Orden setzte sich 1925 für eine Versöhnung mit Frankreich ein und grenzte sich damit gegen reaktionäre und nationalistische Gruppierungen ab. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Jungdeutsche Orden in Deutschland verboten, in Preußen löste er sich gezwungenermaßen selbst auf. Mahraun wurde von der Gestapo verhaftet und misshandelt. Nach dem Krieg lehnte Artur Mahraun eine sofortige Neugründung des Jungdeutschen Ordens ab, da nach seiner Meinung die Zeit für einen „ordensartigen“ Zusammenschluss noch nicht reif war. Über den Jungdeutschen Orden ist die Zeit insgesamt hinweggegangen.
Auch im Bergischen und in Lennep hatte der Jungdeutsche Orden eine Menge Anhänger. Die ganz Alten erzählen oft noch davon, dass der Jungdo bei den Umzügen mit dabei war. Zu erkennen ist der Orden vor allem an seinen Fahnen und Abzeichen, die alle den Vorbildern des historischen Vorbilds Deutscher Orden entlehnt waren. Ansonsten gab er sich der Jungdo zeitgemäß paramilitärisch und stattete sich mit eigenen Uniformen und Trommlern und Pfeifern aus. Oft ist auf den historischen Fotos eine wirkliche Identifizierung schwierig, zumal sich die Umzügler auch in Lennep aus mehreren Bewegungen und Vereinigungen zusammensetzten, dazu kamen die Schützen- und Sportverbände mit ihren je eigenen Fahnen und Musikern. Auch die Feuerwehrkapelle war dabei. Das ergab optisch zu Pfingsten ein wirklich buntes Bild, das leider auf den historischen Schwarzweißfotos für uns Heutige nicht so recht „rauskommt“. Heute haben wir den Buntfilm und halten unsere Gegenwart in farbenprächtigen Farbdigitalisaten fest. Aber die Wirklichkeit der Maifeste selbst ist inhaltlich oft weniger bunt als in früherer Zeit.