Mitte Oktober 2016 war der Presse zu entnehmen, dass das in Lennep so genannte ehemalige Amtsgericht in der Lenneper Bahnhofstraße nunmehr doch eine neue Bestimmung gefunden hat und in Zukunft als modernes Boardinghouse dienen wird. Das Land Nord-Rhein-Westfalen hatte zuvor rund zehn Jahre keinen Investor für das historische Gebäude finden können. Da die Lenneper eine gute Erinnerung an das Bauwerk und seine ehemalige Funktion haben, selbst wenn sie schon lange nicht mehr vor Ort zuhause sind, so ist die Freude und Zustimmung angesichts dieser Entwicklung sehr nachvollziehbar, durch die es für das rund 125 Jahre alte und heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude eine überzeugende Überlebenslösung gibt. Angepriesen wurde das Gebäude mit Hinweisen auf ein hochwertiges, mit umfangreichen Schnitzereien versehenes und bleiverglastes Treppenhaus sowie holzvertäfelten Wandelementen mit Verzierung, Stuckdecken sowie hochwertigen Türelementen.
Im Jahre 1999 fotografierte ich zur Vorbereitung meiner Albert-Schmidt-Monografie aus dem Jahre 2000 u.a. das ehemalige Lenneper Amtsgericht. Der Lenneper Baumeister, Architekt und Talsperrenspezialist hatte in den 1880er Jahren die heutige Bahnhofstraße über eine groß angelegte Kaiserstraßen Spekulation geplant und die meisten Repräsentationsgebäude als Investor und Generalunternehmer für kommunale und eigene Zwecke realisiert. Als „nebenberuflicher“, aber „funktionierender“ Stadtbaumeister begleitete er bis 1889 in direkter Zusammenarbeit mit dem damaligen Lenneper Bürgermeister Sauerbronn auch die öffentlichen Bauten der Stadt, indem er alle vorbereitenden Arbeiten und Ausfertigungen über sein Privatbüro an der Lenneper Knusthöhe durchführen ließ. Im Verlaufe des Jahres 1889 übergab er die öffentlich-städtischen Tätigkeiten an den neu gewählten Stadtbaumeister August Hecht, der nunmehr offiziell für die Stadt Lennep arbeitete und verantwortlich zeichnete. Im Bewusstsein der Lenneper ist Albert Schmidt bereits seit mehr als 100 Jahren mit der Entstehung der damaligen Kaiserstraße verbunden. Als das oben genannte Foto entstand, waren seit der Geburtsstunde des Lenneper Rathauses an der heutigen Bahnhofstraße genau 90 Jahre vergangen. Rund ein halbes Jahrzehnt nach dieser Fotografie entstand das nächste Foto. Bilder mit dem Schild „Zu Verkaufen“ gingen damals durch die gesamte regionale Presse, sehr unterschiedliche Nutzungsvorschläge wurden gemacht, jedoch konnte sich über lange Zeit niemand entschließen, das historische Bauwerk zu übernehmen.
Hier sehen wir das zwischenzeitliche Lenneper Amtsgericht bei einer Verschönerungsaktion Ende der 1970er Jahre. Apropos Schönheit: das nebenstehende Foto aus meinem Lenneparchiv zeigt deutlich, dass das Gebäude nicht von allen Seiten gleich schön erbaut wurde. Die „Schäl Sick“, wie der Rheinländer sagt, die u.a. durch einen bereits 1902 notwendigen Erweiterungsanbau entstand, betrifft bis heute vor allem die Hinterseite des Gebäudes zur Poststraße hin. Bei allem Pomp der wilhelminischen Zeit wurde hier gespart.
Nun ist also im Jahre 2016 im ehemaligen Rathaus bzw. Amtsgericht ein Boardinghouse entstanden, ein modernes Appartement-Hotel. Ob der Durchschnittslenneper aber überhaupt weiß, was ein Boardinghouse ist? Viele haben den Begriff vielleicht zum letzten Mal bei Karl May gelesen, oder aber auf Reisen im angelsächsischen Bereich. Eine moderne verständliche Erklärung findet sich z.B. bei Wikipedia: „Der Begriff Boardinghouse oder Serviced Apartment bezeichnet einen Beherbergungsbetrieb, welcher Zimmer oder Apartments mit hotelähnlichen Leistungen in meist städtischer Umgebung vermietet. Im Gegensatz zu einer Pension oder einem Hotel ist in einem Boardinghouse ein längerer Aufenthalt geplant. Daher wird im deutschen Sprachraum auch die Bezeichnung „Zuhause auf Zeit“ genutzt. Die Zimmer und Wohnungen in einem Boardinghouse werden vor allem von Firmen genutzt, die über längere Zeit Mitarbeiter für bestimmte Projekte in andere Städte entsenden. Deren Unterbringung in einem Boardinghouse ist wesentlich günstiger als in einem Hotel.“
Der jetzt gefundene Investor, die Wuppertaler Firmengruppe Küpper, schreibt zum Ereignis:
„Der Rote Löwe ist fertig! Unser Boardinghouse Zum Roten Löwen in Lennep geht in die Vermietung! Dieses denkmalgeschützte Gebäude war eines unserer absoluten Lieblingsprojekte. Jetzt freuen wir uns, es in so gute Hände übergeben zu können … Was auf dem Plan schon toll aussah, wirkt in Wirklichkeit noch viel beeindruckender. Jedes Zimmer hat seinen ganz eigenen Charme. Hier können sich Manager, Geschäftspartner oder sonstige Gäste wirklich wohl fühlen. Mit Größen zwischen 40 und 87 Quadratmetern findet auch jeder ein passendes Raumangebot.“ Näheres erfährt man unter www.boardinghouse-roterloewe.de
Über mehrere Pressekanäle wird weiterhin darauf verwiesen, dass das Boardinghouse Roter Löwe in dem zweitgrößten Stadtbezirk der Stadt Remscheid liegt. Die Lage besteche durch eine optimale Kombination aus guter verkehrlicher Anbindung sowie die fußläufige Erreichbarkeit eines wunderschönen historischen Stadtkerns. Auch die Nähe zur Autobahn wird hervorgehoben, über die man die Rhein-Metropolen Köln und Düsseldorf ebenso wie die Ruhr-Metropolen Dortmund und Essen in etwa 45 Minuten erreichen kann. Für die nicht motorisierten Gäste liegt der Bahnhof Remscheid-Lennep mit Bus- und Bahnverbindungen in die ganze Region nur zwei Gehminuten entfernt.
Hier sieht man nun die Schokoladenseiten des Gebäudes, das ja ursprünglich als Lenneper Rathaus konzipiert und ausgeführt wurde. Natürlich gibt es mit ungefähr diesem Blickwinkel auch die meisten Fotografien, Zeichnungen und Lichtdrucke davon. Der Name der Straße war in der wilhelminischen Zeit zunächst Kaiserstraße, manchmal wird sie auf Postkarten auch als Rathausstraße bezeichnet, die Bahnhofstraße war ursprünglich die heutige Bergstraße.
Über den seinerzeit gewählten Baustil des Lenneper Rathauses wird immer wieder mal gestritten. Meist spricht man von einem historistischen Mischstil mit dem Einfluss der Neorenaissance, wobei auch der damals gegenwärtige Einfluss der Pariser Architektur, z.B. des dortigen Rathauses von 1882, behauptet wurde. Das Lenneper Resultat ist auf dem weiteren Bild von dem großen Gartenareal an der Poststraße her zu bewundern.
Die heutzutage im Zusammenhang eines Boardinghouses hervorgehobenen Vorzüge der Lage haben übrigens bezüglich des früheren Amtsgerichts an der Lenneper Bahnhofstraße eine lange Tradition. Denn nicht unbedacht wurde Ende der 1880er Jahren ein repräsentatives Gebäude für gerade diesen Standort geplant. Die Planungen fielen in die sog. Gründerzeit, in der mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der damaligen Kreisstadt Lennep auch eine ehebliche Stadterweiterung verbunden sein sollte und musste. Denn die Bedeutung der neuen Bahnlinie von Barmen-Rittershausen nach Remscheid mit dem neuen zentralen Bahnhof in Lennep, dessen Areal und Gebäude schon 1910 wesentlich verändert und erweitert werden mussten, schuf für Lennep durchaus auch Probleme. Der Bahnhof lag seinerzeit ganz am Rande der Kreisstadt und damit für die Bahnverhältnisse verkehrstechnisch gut. Nicht gut waren jedoch die die Möglichkeiten, die ankommenden Besucher Lenneps und vor allem die Produkte des sprunghaft gestiegenen Güterverkehrs innerhalb Lenneps an die jeweiligen Bestimmungsorte zu transportieren. Deshalb wurden, ausgehend vom Bahnhofsareal, mehrere Straßen entworfen und gebaut, unter anderem, in jeweils erweitertem Abstand zur Altstadt, auch eine Mittelstraße und eine Hochstraße, die wir heute unter den Bezeichnungen Am Johannisberg / Rotdornallee bzw. Alte Kölner Straße / Robert-Schumacher Straße kennen. Die heutige Bahnhofstraße spielte damals von Anfang an die bedeutendste Rolle, was man schon daran erkennen kann, dass sie in der Wilhelminischen Zeit Kaiserstraße genannt wurde. Die neue Kaiserstraße ging direkt vom Bahnhof aus und sollte über die bereits seit Urzeiten bestehende Kölner Straße in die Stadt und über die neue Wupperstraße auch um sie herum zu anderen Stadtzugängen und in neue Baugebiete führen. Die Kaiserstraße war dabei von Anfang an als Prachtstraße geplant, und natürlich sollte hier auch das für Lennep und den Kreis wichtigste öffentliche Gebäude stehen. Was wir heute aufgrund einschlägiger Nutzung durch mehrere Jahrzehnte das alte Lenneper Amtsgericht nennen, das war damals das neue Lenneper Rathaus, das natürlich später durch die Eingemeindung Lenneps nach Remscheid im Jahre 1929 als solches funktionslos geworden ist.
Das Rathausmotiv diente in der frühen Zeit allen möglichen Zwecken. Hier ziert es zunächst eine winterliche Ansichtskarte. Auf der zweiten Grußkarte nutzte ein „Vetter Robert“ die Abbildung der neuen Kaiserstraße, um auch auf weitere neue Funktionsgebäude dort hinzuweisen. Vielleicht war er ja Schüler in dem von ihm mit einem Pfeil bezeichneten Alumnat oben links, das auch eine Zeit lang als evangelisches Versammlungs- und allgemeines Vereinshaus diente.
Den wilhelminischen Schmuck des Lenneper Rathauses von 1889 hat auch der Schreiber dieser Zeilen immer bewundert, besonders übrigens die fein gearbeitete Eichentreppe, die hier in einer Aufnahme aus dem Jahre 1999 zu sehen ist. In den historischen Unterlagen entdeckte ich jetzt noch einen Grundriss und eine schematische Darstellung des ersten Gebäudeteils zur „Düsteren Gasse“ hin. Im Jahre 1980 beschrieb der am Lenneper Röntgen-Gymnasium wirkende Dr. Michael Metschies das Gebäude in einer Zusammenfassung so: „Das ehemalige Rathaus und spätere Amtsgericht Lennep wurde 1889/90 von der ortsansässigen Firma Albert Schmidt errichtet. Bis dahin hatte seit 1836 das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Bürgerhaus am Alten Markt als Rathaus gedient. Albert Schmidt (1841-1932) ist in Lennep auch durch andere bedeutende Bauleistungen wie z. B. die Kanalisation, die Wasserleitung, das Wasserreservoir auf der Knusthöhe, das alte Krankenhaus, das Hallenbad, den Schlachthof, die Wilhelm-Augusta-Stiftung und die Kammgarnspinnerei hervorgetreten. Er hat auch das (alte) Lüttringhauser Rathaus erbaut. Mit dem Typ des (alten) Lüttringhauser und des Remscheider Rathauses hat das Lenneper Gebäude allerdings kaum etwas gemein. Es weist als charakteristisches Architekturbeispiel des Historismus eher gewisse Parallelen zum Hotel de Ville in Paris auf, das wenige Jahre zuvor (1874-1882) erbaut worden war.“ Mit dem Ausdruck „Hotel des Ville“ werden in Frankreich die Rathäuser bezeichnet.
Um die wirkliche Stilrichtung des Gebäudes zu streiten, ist hier nicht der Ort. In einer Zeitungsbeilage mit dem Serientitel „Die Heimat spricht zu Dir“ äußerte sich Dr. Metschies 1980 auch ausführlich zu diesem Bauwerk, wobei er als Kunst- und Architekturhistoriker sehr in die Einzelheiten ging, was hier für unsere Zwecke hier nicht sinnvoll reproduzierbar wäre. Unter der Überschrift „Das heutige Amtsgericht baute Albert Schmidt“ nahm Dr. Metschies seinerzeit eine „Bestandsaufnahme“ vor, die wir hier nur zusammenfassend wiedergeben wollen:
„Das neue Rathaus, außerhalb der ehemaligen Stadtumwallung errichtet, sollte nach dem Willen der Stadtväter die Bedeutung der alten Kreisstadt angemessen repräsentieren. Der Baumeister hat daher die beiden Stuckfassaden an der Bahnhofstraße (damals Kaiserstraße) und der Düstergasse besonders sorgfältig gestaltet. Sockel und Erdgeschoss des Gebäudes weisen ein tief gefugtes Quadermauerwerk auf. Die Mauerwerkstruktur ist jedoch in Stuck nachgeahmt. Das Obergeschoß ist wesentlich reicher geschmückt. Obwohl die Mittelachse des Gebäudes stark betont wird, ist die Gesamtanlage nicht symmetrisch. Die Hanglage des Grundstücks auf dem Johannisberg (nach dem heute noch eine nahe Straße benannt ist), hat den Baumeister veranlasst, das Gebäude nach Südosten zu erweitern und eine spezielle Ecklösung an der Einmündung der Düstergasse zu verwirklichen. Die Fassade des ehemaligen Lenneper Rathauses wurde bis ins kleinste Detail mit äußerster Sorgfalt gestaltet. Dass der Stuck allen Witterungseinflüssen zum Trotz lange Jahrzehnte überdauert hat, spricht für eine solide handwerkliche Ausführung. Die Fassade wurde in den 1970er Jahren farblich neu gestaltet. Lennep darf sich glücklich schätzen, mit dem Gebäude ein Musterbeispiel für die Architekturgesinnung der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts zu besitzen.“
Insgesamt hatte ich in den vergangenen Jahren zweimal die Gelegenheit, bei Fernsehaufnahmen außerhalb und innerhalb des alten Lenneper Rathauses mitzuwirken. Dabei wurden sowohl die „verkommenen“ wie auch bleibend schön erhaltenen Einzelheiten ins Bild gerückt. Wie eingangs hervorgehoben, freuen sich die jetzigen Lenneper darüber, dass das „ehemalige Amtsgericht“ nunmehr eine neue Zukunft hat und als historisches Gebäude, wenn auch neu aufgeteilt, unter Verwendung auch einiger Stücke des Interieurs, erhalten bleibt. Ich selber bin als Kind öfter in dem Gebäude gewesen, meine Eltern und weitere Familienangehörige waren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg dort öfters auf dem zunächst ebenfalls dort untergebrachten Standesamt, wovon es noch alte Fotos gibt, und sogar geschäftliche Streitigkeiten der Familie wurden dort besiegelt. Nach dem geschäftlichen Teil ging man oft in das nahe an der Kölner Straße gelegene Café Ruwiedel. Auch heute komme ich bei meinen Lennepführungen gelegentlich am ehemaligen Lenneper Rathaus und Amtsgericht vorbei, und ich erinnere mich gern auch an mehrere Fernsehaufnahmen mit dem WDR, die dort mit mir als einem Urenkel des seinerzeit für die Anlage der Kaiserstraße verantwortlichen Erbauers stattfanden. Sehr beeindruckend fand ich im Inneren immer die opulente Eichentreppe, und einmal ging es auch in den Keller, wo sich ja von alters her auch die wenigen Arrestzellen des Offizialgebäudes befanden. Ich wurde dann durch die Klappe gefilmt, durch die früher einmal, wenn es denn wirklich so war, den Arrestanten das Essen gereicht wurde. Eine schöne Erinnerung, zu der i.Ü. auch eine Anekdote aus dem Alten Lennep passt, die hier nicht verschwiegen werden soll. Sie trägt die Überschrift: „Der erste Arrestant im neuen Lenneper Rathaus“:
„Das in der damaligen Kaiserstraße (heute Bahnhofstraße) neu erbaute Lenneper Rathaus wurde im Jahre 1889 fertiggestellt. Im Keller waren auch Arrestzellen eingebaut. Zu dieser Zeit amtierte in Lennep der legendäre Polizeikommissar Frohnert, ein schneidiger, aber in seinen Amtshandlungen durchaus gerechter Herr. Als nun der Bau in Betrieb genommen war, da erschien August Kluthe, ein bekannter Lenneper Bürger, der sein Speditionsgeschäft ganz in der Nähe am unteren Johannisberg liegen hatte, im Rathaus und besuchte dort auch den Polizeikommissar Frohnert. Dieser ging bereitwilligst mit seinem Besucher durch das ganze Haus und zeigte ihm die Räumlichkeiten. Im Keller wurden dann auch die Gefangenenzellen besichtigt, dabei meinte August Kluthe: Wer wird wohl hier der erste Arrestant sein? – Das kann wohl niemand wissen, entgegnete der Kommissar. Darauf Kluthe: Doch, ich weiß es, morgen werde ich es Ihnen sagen! Mit diesen Worten schnellte er aus der Zelle, schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. So musste der Polizeikommissar als erster Arrestant zwei Stunden lang in der Zelle verbringen. Polizeikommissar Frohnert hatte aber durchaus Verständnis für eine witzige Sache, und so blieb der Herr Stadtverordnete Kluthe von einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung verschont. Der Vorfall erregte in Lennep natürlich schallende Heiterkeit.“
Kehren wir noch einmal zum Gesamtthema Bahnhofstraße zurück. Wie erwähnt, war sie um die vorletzte Jahrhundertwende als wilhelminische Prachtstraße eingerichtet worden, und das neue Rathaus und spätere Amtsgericht war natürlich nicht der einzige Prachtbau hier. Zu erwähnen wäre neben dem zwischenzeitlichen Hotel Kaiserhof schräg gegenüber dem Bahnhofseingang auch das direkt darunter liegende Vereinshaus, das in seiner frühen Zeit auch das Lenneper Alumnat beherbergte. Später dann zog das Bergische Elektrizitätswerk hier ein, „Mit Elektrizität alles“ hieß es auf der Bahnhofstraßenseite des Gebäudes, das dann dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel. Noch weiter darunter, an der Kreuzung der Bahnhofstraße zur früher so genannten Düsteren Gasse, lag das imposante Geschäftshaus für Öfen von Hugo Heuck, wo man die Produktion zu Fabrikpreisen erstehen konnte. Noch weiter darunter das Geschäftshaus von Tapeten Schwartmann. Im Frühjahr 1925 warb diese Firma „durch bedeutenden Anbau“ als das „größte Haus der Branche im ganzen Bergischen Land“. 1889 hatte Albert Schmidt am unteren Ende der Straße schon das Wohnhaus für die Firma Daniel Witscher errichtet und unten links wurde an der Ecke zur Kölner Straße das große Gebäude der Bäckerei Vollmer errichtet, in dem auch die Restauration „Im Krug zum grünen Kranze“ untergebracht war, in der Reisende übernachten konnten.
Bei allen Planungen und baulichen Ausführungen der entstehenden Kaiserstraße spielte der Lenneper Architekt und spätere Baurat Albert Schmidt 1889/90 als Generalplaner der Kaiserstraßen-Spekulation nicht nur eine wichtige Rolle, sondern er fungierte in mehreren Fällen auch als Investor und ließ sich vom damaligen Bürgermeister Sauerbronn sogar überreden, im Jahre 1890 direkt gegenüber dem Bahnhof das Hotel „Kaiserhof“ auf eigene Kosten zu bauen. Man wollte seinerzeit das traditionelle Hotel Berliner Hof zum Bezirkskommando der Kreisstadt Lennep machen, was in Lennep eine Verringerung der Übernachtungsmöglichkeiten für gehobene Ansprüche bedeutet hätte, wie der Bürgermeister seinem Architekten vorrechnete. Dieser gab aber das neu erstellte Hotel schon bald wieder ab, weil er dafür nicht die notwendige Zeit aufbringen mochte und es unter dem Strich zu wenig rentabel war, da der Berliner Hof als Hotel doch bestehen blieb. Manche von uns erinnern sich noch an das schöne Gebäude des Kaiserhofs, vom dem, sozusagen ersatzweise, heute nur noch der Portikus erhalten ist, und in dem später die Lenneper Sparkasse residierte. Der Schreiber dieser Zeilen ließ hier den 1950er Jahren am Weltspartag beim Sparkassenleiter Pick den Inhalt seines Sparschweins auf das Sparbuch buchen. Damals gab es noch 10% Zinsen.
Eine echte Fehlspekulation war für Albert Schmidt das nahe Eisenbahnbetriebswerk, das er auf Bitten des Bürgermeisters Sauerbronn aus Lokalpatriotismus zunächst auf eigene Rechnung erstellte, unter dem Versprechen, dass die Bahn es nach einer längeren für sie günstigen Mietperiode gänzlich übernehmen würde. Dies tat sie zwar auch, allerdings, weil der Vertrag nicht eindeutig abgeschlossen war, erst nach zwanzig Jahren und ohne Gewinn für den ursprünglichen Investor.
Albert Schmidt hat die Entwicklung der Lenneper Kaiserstraße mehrfach in seinen geschäftlichen und privaten Erinnerungen geschildert, 1923 einmal sogar im Lenneper Kreisblatt. Seine besondere geschäftliche Beziehung zum Bürgermeister Sauerbronn (1833-1901), der es immer verstand, andere für seine Ideen einzuspannen, kommt dabei gut zum Ausdruck, wird leicht süffisant kolportiert, und sie ist es sicherlich wert, in einem eigenen Beitrag zur Lenneper Geschichte dargestellt zu werden.