Stadion und Jahnplatz in Lennep – Eine kleine historische Erinnerung
Auf der gegenwärtigen Remscheider Spar- oder Giftliste taucht als Position auch die Aufgabe des Lenneper Röntgenstadions auf, das Stadion könnte, so hieß es etwa zum letzten Wochenende in den Zeitungen, eine ganz andere Funktion wahrnehmen, vielleicht sogar ein Baumarkt werden, wozu es aber erst einmal erfolgreich verkauft werden müsste.
Das im Jahre 1925 eingeweihte Stadion hatte von Anfang an nie nur Lenneper, sondern eine gesamtbergische und überregionale Bedeutung. Selbst in Frankfurt traf ich neulich jemanden, der in seiner Jugend Ende der 1920er Jahre im Lenneper Stadion um einen der dreißig besten Reichstitel etwa beim Speer- oder Diskuswerfen gekämpft hatte und bis heute noch eine gute Erinnerung an die Anlage hat. Er war seinerzeit in Essen bei der Großdruckerei Girardet beschäftigt, die ja historisch auch auf das Alte Lennep zurückverweist, aber das ist eine andere Geschichte. So um 1955-1960 hielt ich mich selbst oft im oder am Stadion auf, die Röntgenschule machte hier ihre Sportfeste, erinnerlich sind mir noch die Volleyballspiele gegen die Mannschaft „Rote Tinte“, das waren die Lehrer. Weiterhin erinnere ich mich lebhaft an Leichtathletikkämpfe, Fußballspiele mit Eintritt, Polizeisportschauen, Reit- und Fahrturniere sowie Military Tattoos der Belgier und Engländer, die ein wenig Abwechslung und Farbe ins Städtchen brachten. Am Fuße der großzügigen Stadiontreppe zogen wir uns um, auf der anderen Seite hatte das Rote Kreuz sein Domizil, und die Schwestern wachten in ihrer Tracht mit Häubchen und dem Notfallkoffer über das Geschehen. Auch ich wurde hier einmal wegen einer großen Fleischwunde am Knie verarztet, die ich mir oben auf dem Jahnplatz beim Kirmesaufbau zugezogen hatte, die Anwesenheit dort hatte mir meine Mutter natürlich gar nicht gestattet. Dr. Debus am Bismarckplatz jagte mir daraufhin eine gehörige Tetanusspritze ins Hinterteil.
In meinem Arbeitszimmer zuhause hängt an der Wand eine historische Lennepkarte aus der Mitte der 1920er Jahre, in die das seinerzeit neue Lenneper Stadion bereits eingezeichnet ist. Durch die Wupperstraße getrennt, wo wir früher am Kiosk gerne nach dem Sport eine Flasche Afri Cola oder Bluna zischten, liegt der ehemalige Kirmesplatz, der über eine längere Zeit Kaiser-Friedrich-Platz hieß. Friedrich III., der „99-Tage-Kaiser“ oder auch „Friedens-Kaiser“ im Dreikaiserjahr 1888 musste allerdings seinen Namen zugunsten des national-kämpferischen Turnvaters Jahn später wieder hergegeben.
Wie das spätere Lenneper Stadion bot der Kaiser-Friedrich-Platz nicht nur sportlichen, sondern auch gesellschaftlichen Veranstaltungen einen geeigneten Raum, zum Beispiel den in der Kreisstadt Lennep durchgeführten landwirtschaftlichen Festen. Dazu finde ich in meinem Archiv z.B. einen alten Zeitungsausschnitt aus der Bergischen Volkszeitung von 1878. Hier weist der Direktor der landwirtschaftlichen Lokalabteilung Elberfeld-Barmen-Lennep, Herr Rospatt, auf die Sonderzüge hin, die der landwirtschaftlichen Ausstellung in der Kreisstadt das Publikum bringen sollen, und aus dem Jahr 1910 ist eine Plakette für verdienstvolle Leistungen während der Veranstaltung erhalten. Sie zeigt neben den Fleißsymbolen wie Ährenbund, Bienenkorb und Füllhorn auf der einen Seite auch landwirtschaftliche Werkzeuge und Maschinen, so wie sie damals üblich waren. Natürlich waren diese Ereignisse auch mit Militärkonzerten, Tierschauen und Verlosungen verbunden. Ein Zeitungsinserat aus dem Jahre 1911 kündigt darüber hinaus Festessen im Berliner Hof und Tanzvergnügungen an, das Ganze über mehrere Tage. Landrat Hentzen und Bürgermeister Stosberg luden damals zur „zahlreichen Beschickung der Ausstellung mit schönen Erzeugnissen der Land- und Forstwirtschaft, mit Maschinen und Geräten und zu fleißigem Besuche ein! Die jungen Mädchen waren aufgerufen, freiwillig beim Losverkauf mitzuwirken, die Lenneper Bevölkerung sollte ihre Häuser selbständig schmücken und für Samstag war angesagt, dass das auf der Ausstellung vorzuführende Vieh nur über die Wupperstraße zum Festplatz getrieben werden durfte, damit die anderen Zuwege nicht verdreckt wurden. Natürlich kostete der Besuch der Ausstellungen auch ein Eintrittsgeld, und das gesamte Areal war deshalb abgezäunt bzw. mit Bretterverschlägen abgeschirmt. Dazu gibt es u.a. die schöne Postkarte, wo man versucht, durch die Lattung des Zauns einen neugierigen und kostenlosen Blick auf das Festgeschehen zu erhaschen.
Bis zum zweiten Weltkrieg hatten die in der Regel zweijährig stattfindenden Landwirtschaftlichen Feste auf dem Kaiser-Friedrich- bzw. Jahnplatz ihre feste Tradition, zumal ja in der Röntgenstraße auch die Landwirtschaftsschule beheimatet war. Der Stadionbereich wurde dabei gerne mitbenutzt, zumal auf der Freitreppe von unten wunderschöne Gruppenaufnahmen gemacht werden konnten. Diese galten durchaus nicht durchgängig nur dem Vereinsleben und dem Sport, sondern immer auch der Politik. So gibt es zahlreiche Fotos natürlich auch mit Hakenkreuzen, nicht nur auf den Turnhemden, sondern auch auf mitgebrachten Fahnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann die Landwirtschaftsschauen möglichst mit den sog. Reit-, Spring- und Fahrturnieren gänzlich zusammengelegt, die vielen von uns noch gut in Erinnerung sind. Besonders erwähnenswert ist auch das große Lenneper Polizeisportfest aus dem Jahre 1955, das Ende Juli des Jahres bei strahlendem Wetter viel Sportliches und Akrobatisches bot, zum Entzücken der Lenneper, die damals in Ihrer Freizeit noch nicht vorm Computer hockten und zu den Fernsehübertragungen der Fußballspiele in die Wirtschaft gingen. Die Kinder erhielten dabei oft zehn Pfennig für den Erdnussautomaten auf dem Tresen.
Anfang August 1925 wurde also das Lenneper Stadion eröffnet, wenn es nun demnächst versilbert wird, dann sind rund 85 Jahre vergangen. Eigentlich schade, aber so vergeht die Welt mit ihren hoch gelobten historischen Errungenschaften, auf die seinerzeit alle Lenneper und die Kreisangehörigen sehr stolz waren, die Zeit steht nicht still, und wirtschaftliche Nöte gibt es immer wieder.