Stereometrisches Lennep

25 Juni 2020 , Verfasst in Aus dem alten Lennep 

Ja, was für eine Überschrift, was kann das bedeuten? Für mich als Archivbetreiber und Sammler bedeutet dies: es handelt sich hier nicht um historische Flachware aus Papier oder Pergament, also nicht um Lennepstiche, Fotos oder Lithographien, sondern um Dinge, die man als solche dreidimensional in der Hand spürt, wenn man sie anfasst. Als ich im Jahre 2002 von dem Lennepsammler Bernhard Koch dessen über Jahrzehnte angehäuften Lennepensien erstand, da behielt er zwar einige wenige Stücke wie z.B. Tassen mit Lennepmotivik für sich, aber von der Flachware wie Zeugnissen, Urkunden bis zu den postalischen Dingen wie Ersttagsbriefen und Briefmarken mal abgesehen waren eben auch Münzen, Plaketten, Siegel und Fahrkarten vom Lenneper Bahnhof dabei bis zu einem Lennepquartett aus dem Jahre 1990 und weiteren Dingen, die natürlich alle sehr gut sichtbar den Lennepbezug ausweisen. Sonst wären sie ja auch nicht zu Bestandsteilen einer expliziten Lennepsammlung geworden. Sie sind nun da, ob sich nun die professionellen Archive dafür interessieren oder auch nicht, und sie wurden vor Jahren u.a. in einer Ausstellung im Lenneper Tuchmuseum auch präsentiert. Jetzt sollen sie, sofern einschlägiges Interesse daran besteht, an das Remscheider Stadtarchiv gehen, als Erinnerung an das Lennep, „wie es einmal war“. Weitere Beispiele u.a. bei Lenneper Geld sowie Gesammeltes Lennep.

Beginnen wir hier mit einem Wachsabdruck eines Bronzesiegels aus dem Kloster der Minoriten (Schwarze Franziskaner) in Lennep. In einem Auktionskatalog wird das Original so beschrieben: „Ovale Siegelplatte 1642 mit halbkreisförmigem Griff und Trageöse. Nachdem das im Zuge der Reformation im 16. Jh. aufgegebene Kloster der Minoriten in Lennep im Jahre 1642 neu besetzt worden war, wurde im gleichen Jahr das vorliegende Typar geschaffen und blieb wohl bis zur Säkularisation im Gebrauch. Der Hl. Bonaventura, geboren 1221, lehrte bis 1255 in Paris, wurde 1257 Ordensgeneral der Franziskaner, 1273 Kardinal, starb 1274 und wurde 1482 durch Papst Sixtus IV. kanonisiert. Seine Attribute zeigen ihn als Franziskanermönch, Kirchenlehrer (Buch), Bischof (Pluviale), Kardinal (Cappa magna, mit Hut) und als kanonisierter Kardinal (Kreuzstab mit Doppelkreuz).“ Der Wachsabdruck wurde wahrscheinlich in Lennep vor langer Zeit anlässlich eines kirchlichen Jubiläums angeboten.

Abb. 1 Abb. 2

Eine ganz andere historische „Lennepensie“ sehen wir hier unten. Es handelt sich um einen Blechanhänger aus der Zeit Kaiser Wilhelms II, den man aufklappen konnte. Während nach außen sichtbar meist ein Foto oder sonstiger flacher Bildträger eingelegt war, konnte über einen Hebel eine kleine Druckplatte herausgenommen werden, die in unserem Falle in einem Firmenstempel besteht. Obwohl man diesen heute nicht mehr einwandfrei lesen kann, so ist doch vermutungsweise zu erkennen, dass hier ein Brunnenmacher vom Nagelsberg bei Lennep für sich warb, so zumindest lese ich es. Standesgemäß präsentiert der Stempel auch Schlägel und Eisen als Embleme des Bergbaus.

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5

Das Lenneper Kaiser-Wilhelm- und Kriegerdenkmal wurde am Sedanstag 1889, natürlich seinerzeit auch als Symbol des gewonnenen Krieges gegen Frankreich 1870/71, mit sämtlichen den Vertretern von Staat und Gesellschaft, mit sog. Ehrenjungfrauen, uniformierten Studenten und der Lenneper Jugend gefeiert. Es überstand den Ersten Weltkrieg, weil es aber sehr in den Kaiserplatz, den heutigen Mollplatz, hineinragte, gab es schon Anfang der 1930er Jahre Ideen, es zu verkleinern. Mitte der 1930er Jahre dann wurde die Idee umgesetzt, und Kaiser Wilhelm I. wurde auf einen eigens für ihn geschaffenen Hohenzollernplatz an der Ringstraße versetzt. Um das Jahr 1940 dann meinte der nationalsozialistische Staat, das Metall der großen Statue für Kriegszwecke brauchen zu müssen. Der Kaiser wurde deshalb seinerzeit wie so manche Kirchenglocke “eingeschmolten”. Zur Einweihung des Kaiser- und Kriegerdenkmals „vor dem Lüttringhauser Tor“, dann „Kaiserplatz“ genannt und heute „Mollplatz“, konnte man eine Gedenkmünze erwerben. Darauf angegeben ist das Datum der „Enthüllungsfeier“ am 2. September 1889, dem Sedanstag, und sie ist versehen mit einer Schleife der damaligen nationalen Farben Schwarz-Weiß-Rot. So mancher Lenneper Bürger wird damals diese Plakette erworben haben, als Lennepzeugnis und als Ausdruck nationaler Gesinnung, heute ist sie eine Rarität.

Abb. 6 Abb. 7

„Landwirtschaftliche Verdienstmedaille Preußen 1903. Lokalabteilung Elberfeld, Barmen, Lennep, Remscheid“. Ceres, die römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit, hält einen Siegerkranz und ein Füllhorn über die Erzeugnisse der erfolgreichen Landwirtschaft. Ein Bienenkorb versinnbildlicht zusätzlich den Fleiß, die Grundlage der Auszeichnung „Für Verdienstvolle Leistungen“. Die andere Seite der Plakette zeigt neben traditionellen und modernen Arbeitsgeräten (u.a. Sense und Dampfwagen) den Bezug der Landwirtschaft zu Wild und Pferd. Derartige Plaketten werden heute im Auktionshandel für rund einhundert Euro angeboten. Der Lennepsammler Bernhard Koch reiste für so etwas von Auktion zu Auktion und gab dafür schon vor Jahrzehnten einige Scheinchen her.

Abb. 8 Abb. 9

Viele ältere Lenneper erinnern sich noch gut daran, dass es nach dem 2. Weltkrieg im Lenneper Stadion zahlreiche Reitveranstaltungen gab. Daran erinnert die untenstehende Plakette aus dem Jahre 1949. Ende Juli fand seinerzeit fand das 4. Reit-, Spring- und Fahrtunier statt und nahm mit der Neugründung mehrerer einschlägiger Vereine die Vorkriegstradition wieder auf. Auch für die Kinder und Jugendlichen war so eine Veranstaltung immer ein großes Ereignis. Noch farbenprächtiger waren die Military Tattoos mit den in der neuen Bundesrepublik noch verbliebenen westlichen Besatzungseinheiten, große Musikschauen mit prächtig geschmückten Musikern, Reitern und Pferden. Auch später noch gab es im Lenneper Stadion eindrucksvolle Schauen. Für eine am 2. August 1953 durchzuführende Turnierveranstaltung wurde etwas ganz Besonderes ausgedacht. Eine Sonderausgabe des Remscheider General-Anzeigers wurde in einer historischen Kutsche ins Stadion gefahren, um durch plötzlich auftauchende Cowboys überfallen zu werden. Ziel war, die dabei erbeuteten Zeitungsexemplare an das Publikum zu verteilen. Dabei klappte so manches nicht wie geplant, aber für Jung und Alt im überfüllten Stadion war es die Sensation des Jahres.

Abb. 10 Abb. 11

Kennen die Jüngeren unter uns eigentlich die früheren Bahnfahrkarten? Aus Karton waren sie maschinell geschnitten und mussten vor Fahrtantritt am Schalter von einem Bahnbediensteten mithilfe einer Maschine mit den aktuellen Fahrtdaten versehen werden. Mein Archivvorgänger hat natürlich auch dafür ein Lenneper Beispiel in seiner Sammlung archiviert. Es zeigt uns eine Bahnfahrt von Remscheid-Lennep nach Bonn Hauptbahnhof am 21. 09. 1981.Bis auf die Preisangabe sind mir die weiteren Buchstaben- und Zahlenvermerke bis heute eher ein Rätsel geblieben. Aber natürlich wurde eine solche Fahrkarte sowohl bei der Hinfahrt wie auch bei der Rückreise vom Schaffner mithilfe einer Stempelzange bestätigt und entwertet. Ganz schwach kann ich mich auch noch an Bahnsteigkarten erinnern, die einem ganz früher das Betreten des internen Bahnhofsbereichs erst ermöglichte, z.B., wenn man jemand zum Zug bringen oder vom Zug direkt abholen wollte. In meiner Kindheit und Jugend nach dem 2. Weltkrieg war der Lenneper Bahnhof nur noch ein Torso seiner Pracht nach dem Bau um 1911, die ursprüngliche Schönheit konnte man nur erahnen, und das ursprüngliche Bahnhofsrestaurant mit integriertem Palmengarten lernte ich erst viel später durch meine historischen Studien kennen.

Abb. 12 Abb. 13

Hier haben wir jetzt zwei Lennepzeugnisse aus ganz unterschiedlichen Zeiten! Die Replik von Lenneps Großem Stadtsiegel aus dem 13. Jahrhundert erstand ich in den 1990er Jahren bei der Lenneper Buchhandlung Schmitz. Das durchaus schwere Teil ist aus Bronze gearbeitet und hat einen Durchmesser 6,6 cm. Das historische Original befindet sich an einer Urkunde von 1451 im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf. Das Siegelbild zeigt die zinnengekrönte Stadtmauer Lenneps mit einem Turmtor, dahinter eine fensterreiche Kirche mit großem Westturm. Oberhalb der Kirche befindet sich ein Wappenschild mit dem Löwen des Stadtgründers, Graf Adolf V. Die lateinische Umschrift lautet: SIGILLUM BURGENSIUM OPIDI IN LENNEPE, was nichts anderes bedeutet als oben schon angegeben: SIEGEL DER BÜRGER DES ORTES IN LENNEP. Ganz anderer Art und aus einer ganz anderen Zeit ist der abgebildete Firmenstempel der einst bekannten Lenneper Firma Ernst Henkel in der Berliner Straße. In dem Gemeindebuch des Kirchenkreises Lennep aus dem Jahre 1952 weist die Firma auf das Gründungsjahr 1907 hin und empfiehlt sich „im Dienst an der Gesundheit – für Amputierte, Körperbehinderte, Bruchleidende und Fußkranke als Fachgeschäft und Lieferant aller Krankenkassen und Berufsgenossenschaften“, natürlich mit einem eigenen „Orthopädiemeister“ und einem „Bandagisten“. Nach heutiger Definition erstellt letzterer Heilbehelfe jeder Art und wird jetzt als Orthopädietechniker bezeichnet. Meine Erinnerungen an das Geschäft sind diese: wenn sich einer in der Familie den Fuß verstaucht hatte, dann musste ich bei Henkel „essigsaure Tonerde“ holen.

Abb. 14 Abb. 15

Unter die stereometrischen Objekte in Lennep fällt natürlich auch das „Quartettspiel Remscheid-Lennep“, das 1990 unter der Idee und Mithilfe der in Lennep unvergessenen Erika Bornewasser entstand, deren vielfach neu aufgelegtes Büchlein „Karin und Peter entdecken Lennep“ ganze Generationen erfreut hat. Darin lernen zwei Lenneper Kinder einer historisch interessierten Familie durch Wandern, Schauen und Gespräch ihre Heimatstadt Lennep besser kennen. Spielregeln und weitere Informationen zur Entstehung des Quartettspiels kann man leicht den Fotos hier entnehmen. Zwar ist das Quartett Spielen heute meist nicht mehr so beliebt, man lernt aber auch damit vieles über das alte bzw. kurz vor der Jahrtausendwende aktuelle Lennep. Da macht es auch nichts, dass so manches gezeigte Gebäude heute nicht mehr existiert und auch sonst vieles inzwischen anders geworden ist.

Abb. 16 Abb. 17

Ja, was wäre Lennep ohne die Geschichte der Tuchmacherei und die Familien, die mit der Lenneper Industriegeschichte verbunden sind. Nur eine, aber sehr wichtige, ist die Familie Hardt mit ihren Firmen, insbesondere mit der Firma „Johann Wülfing & Sohn“ in Lennep. Das Andenken an die Firma Hardt und die Lenneper Tuchgeschichte wird heute im Lenneper Tuchmuseum und im Dahlerauer Wülfingmuseum gepflegt. Beide Museen bewahren auch die historisch vergangene Firmenwerbung auf, die bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts reicht. „Wülfing Tuche – Made in West Germany“ so hieß es nach dem letzten Weltkrieg auf einer modernen Kunststoffplakette, die natürlich an einem Wollfaden befestigt war. „Lenneper Tuche haben Weltruf“ – dieses Motto oder diesen Slogan gab es historisch auf sehr unterschiedliche Weise, und sogar als Poststempel auf dem einheimischen Postamt. So ging die Lennepwerbung tatsächlich in die ganze Welt.

Abb. 18 Abb. 19

Zum Schluss schauen wir uns noch zwei weitere stereometrische „Lennepensien“ an. Da ist zum einen das Emblem der Lenneper „Loge zur Bergischen Bruderkette“ mit den Zusätzen „1912“ und „Orient Lennep“. Die Vereinigung wurde im Jahre 1912 gegründet, und sie hatte ihre Räumlichkeiten im sog. Vereinshaus an der oberen Lenneper Bahnhofstraße, in dem sich eine Zeit lang auch das Lenneper Alumnat für auswärtige Schüler der (Höheren) Bürgerschule sowie Räumlichkeiten der evangelischen Kirchengemeinde befanden. Überliefert wurde dieses Emblem auf den Einzelteilen des Vereinsgeschirrs, das einer der Mitgründer der Loge, der Lenneper Baumeister Arthur Schmidt, nach dem Erlöschen der Vereinigung rettete. Winkeleisen und Zirkel der Loge als Zeichen der Freimaurerei verbanden sich bei ihm auch mit der Architekturausbildung in Berlin-Charlottenburg und der dortigen Baukorporation „Hütte“. Heute sind von dem Lenneper Logengeschirr nur noch wenige Teile erhalten. Zerbrechlich wie die Teller ist auch unser letztes stereometrisches Lennepzeugnis. Es handelt sich um eine Kachel mit dem historischen Motiv der Stadt Lennep im Jahre 1715 von Erich Philipp Ploennies. Dessen Topographia Ducatus Montani lässt als älteste topografische Darstellung des gesamten Bergischen Landes ein vielseitiges Bild der Landschaft des beginnenden 18. Jahrhunderts entstehen. Der Ausschnitt der Lennepdarstellung ist in unserem Fall der Klosterkirche der Lenneper Minoriten gewidmet. Nach langem Leerstand und der späteren Umnutzung als Trikotagenfabrik schlossen sich 1983 Lenneper Bürger in dem Verein Klosterkirche e.V. zusammen, um den Abriss der ehemaligen Kirche zu verhindern. Mit Spenden und finanziellen Mitteln von Stadt und Land begann 1985 die Restaurierung der Gesamtanlage, die 1987 abgeschlossen werden konnte. Daran erinnert die Kachel mit der Lennepansicht von Ploennies, auf der u.a. auch die älteste Lenneper Windmühle im Spitzwinkel der heutigen Schwelmer Straße und der Albert-Schmidt-Allee mit abgebildet ist. Sie soll ja über dreihundert Jahre dort gestanden haben, wie es uns der Lenneper Gelegenheitsdichter Benjamin Kriegck aus dem vorletzten Jahrhundert in einem Gedicht versicherte.

Abb. 20 Abb. 21

Lassen wir es nun genug sein mit den stereometrischen Andenken an Lennep. Manches davon hat einen gewissen finanziellen Wert und man könnte es „versilbern“. Aber das wäre sehr schade, denn an den einzelnen Erinnerungsstücken erleben wir immer wieder aufs Neue, „wie es früher war“. Aus diesem Grund kann man sich nur wünschen, dass die Zeugnisse des Alten Lennep nicht verloren gehen und immer wieder weitere Interessenten finden

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