Im Herbst 2019 gab es mehrere Artikel zur Zukunft der alten, längst vergangenen Marktapotheke in Lenneps Wetterauer Straße, die im Jahre 1981 endgültig geschlossen wurde. Ihr Leerstand ist in Lennep geradezu sprichwörtlich, so mancher Zeitgenosse erinnert sich noch an die letzten Apotheker vor langer Zeit, und zahlreiche schöne Ansichtskarten aus der Zeit um 1900 bis in die heutige Gegenwart zeigen das historische Gebäude und seine Umgebung als eines der ansprechendsten Areale in der Lenneper Altstadt. Wie es dort in Zukunft aussehen wird, das werden wir durch neue Eigentümer vor Ort bald erfahren. Aber was ist eigentlich mit der Vergangenheit des historischen Ensembles? Einer der in seiner Zeit profundesten Lennepkenner, nämlich der der Heimat- und Familienforscher Paul Windgassen (1888-1965), Handelskapitän a.D. und zeitweise zuständig für das historische Lenneper Stadtarchiv in Remscheid, schrieb dazu im Jahre 1955 einen Aufsatz im Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Remscheid, Nr. 12, Oktober, der sich u.a. auf die alten Lenneper Kirchenbücher stützt. So wurde aus seinen familienhistorischen Untersuchungen, sozusagen nebenbei und nur u.a. auch, eine Geschichte der frühen Lenneper Apotheken, insbesondere der Lenneper Marktapotheke.
Aber lassen wir Paul Windgassen doch selbst sprechen:
„Die Nachrichten über eine Apotheke in Lennep lassen sich z. Zt. bis zum 30jährigen Kriege zurückverfolgen. In den ältesten lutherischen Kirchenbüchern (1654-1688) wird ein Apotheker Arnoldi Reinhold Fraes, aus Dortmund gebürtig, aufgeführt. Er war von ca. 1664-1712 Besitzer der Apotheke. Am 06. 02.1664 heiratete er die Catharina Merten aus Lennep. Weiterhin finden wir ihn in der Erbhuldigungsliste vom Jahr 1666 unter den „inwendigen Bürgern“. Der Nachfolger von Fraes war Johann Heinrich Wittmann (1663-1716), der von 1713-1716 Eigentümer der Apotheke war. In erster Ehe war er mit Elisabeth N. (gest. 22.5.1713) verheiratet und in zweiter Ehe mit Anna Margaretha Spielberg, Tochter des Lenneper Rats- u. Gerichtsschöffen Peter Spielberg (1615-1685), und Anna Hackenberg.
1716 folgte der Apotheker Johannes Henricus Neuwirth aus Mülheim am Rhein, der 1716 die Witwe des Chirurgen Leveringhaus aus Wülfrath heiratete. Ihm folgte 1738 Matthias Henck (1714-1793) aus Marburg. In der Urkunde von 1748 findet dieser Apotheker Henck Erwähnung. Er heiratete 1740 die Anna Margaretha Busch aus Lennep. Von den 11 Kindern aus dieser Ehe wurde ein Sohn Apotheker in Gladbach im Jülicher Land, während der jüngste Sohn, Arnold Heinrich Henck, im Jahre 1736 Nachfolger seines Vaters in Lennep wurde. Seine Ehefrau war Christina Charlotte Bongart aus Duisburg.
Von 1792-1832 war der kunsterfahrene Apotheker und Medizinalassessor Caspar Heinrich Stucke Besitzer der Lenneper Apotheke. Seit 1792 war er mit der Tochter des Gerichtsassessors Heddewigs aus Nordhausen verheiratet. In den oberen Räumen der Apotheke wurde am 28.1.1799 die Lenneper Kaufmannsgesellschaft gegründet. Seit alten Zeiten an derselben Stelle stehend, wurde das Gebäude beim 3. großen Stadtbrand 1746 vernichtet, aber bald darauf wieder aufgebaut. Von diesem Apotheker Studie ist das Rezept „Dr. Scherers Ess. stomachica antisc“. Nachbesitzer war Christ. Eduard Heinr. Vahrenkamp, der die Apotheke nach vier Jahren am 13.10.1836 für 14000 Thaler an den Apotheker Friedrich Wilhelm Heinr. Voss verkaufte. Nach 10jähriger Tätigkeit starb Voss am 1. Mai 1816 und seine Witwe Amalie Ulrich verpachtete dieselbe an ihren Bruder, den Apotheker Anton Rudolph Carl Ulrich, der die Voss`sche Apotheke durch Konzessionsurkunde vom 27.1.1847 für eigene Rechnung bis 1862 fortführte.
1863 verkaufte er dieselbe an den Apotheker Eduard Kühtze aus Neuwied, der am 27.1.1863 durch den Kgl. Kreisphysikus Dr. Hartcop vereidigt wurde. Von Kühtze ist uns ein altes Flaschenetikett erhalten geblieben. Ihm folgte am 1.3.1871 der den alten noch lebenden Lennepern wohlbekannte Apotheker Carl Johann Leopold Peuker, der von 1871-1896 Besitzer der Apotheke war.
Sein Nachfolger wurde der Apotheker Emil Halbach (1865-1939) aus Hagen in Westfalen, der am 7.8.1939 m Lennep verstarb. Zum 1. Oktober d. J. übernimmt dann die Leitung der Apotheke Herr Apotheker Wolfgang Witte, der mit einer Enkelin des Inhabers verheiratet ist.
Da Lennep nach einem alten Privileg immer einen Chirurgen und einen Wundarzt haben musste, von denen uns einige schon vor dem 30jährigen Kriege bekannt sind, so ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass die Apotheke bereits vor dem 30jährigen Kriege bestanden hat. Leider fehlt uns darüber jegliches urkundliche Material, das höchstwahrscheinlich bei den drei großen Stadtbränden 1325, 1563 und 1746 verloren gegangen ist. Nur ein altes Giftbuch aus dem Jahre 1823 ist noch vorhanden, in das die Giftempfänger namentlich mit Wohnort und Gewerbe, Art des Giftes und Quantum aufgeführt wurden. Alle drei Jahre fand eine Revision statt, und dann wurde bescheinigt, dass die Giftscheine mit den Eintragungen im Giftverkaufsbuch übereinstimmten.
Von 1823-1873 wurden insgesamt 954 Giftscheine ausgestellt und zwar 797 für die Rattenbekämpfung, 55 für Fliegen und Ungeziefer, 40 für Fabrikbetriebe, 35 für die Mäusevertilgung, 10 für das Schmelzen von Gold etc., 8 für das Waschen von Kühen und Pferden, 3 für Sch(w)abenvertilgung, 3 für Erdhunde, 3 für Läuse, Maulwürfe und Hunde.
Durch die Aufführung der Personennamen und des Gewerbes ist dieses Buch eine Fundgrube für die Familienforschung. Wie schon gesagt, war die Apotheke von alters her im Hause Wetterauerstraße 11 untergebracht. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie durch den heutigen Verkaufsraum erweitert, in dem in meiner Jugend der Kappenmacher Carl Isken sein Geschäft hatte. Als die ältesten Apotheken in Cleve, Jülich und Berg seien hier kurz erwähnt die Hirsch-Apotheke (1588) und die Einhorn-Apotheke (1625), in Geldern die Elefanten-Apotheke (1668), in Düsseldorf-Schermbeck (1680), Essen (1686), die Engel-Apotheke (1686) und die Einhorn-Apotheke (1686) in Duisburg-Elberfeld (1684). Nach den bisherigen Forschungen kann die Lenneper Marktapotheke auf eine über 350jährige Geschichte zurückblicken und ist damit höchstwahrscheinlich die älteste Apotheke im Bergischen Land.“
Abb.1 und Abb. 2 aus dem Lenneparchiv von Wilhelm R. Schmidt Schmidt zeigen die „Situation“, wie man damals sagte, an der Wetterauer Straße, jeweils mit der Buchhandlung von Richard Schmitz auf der rechten Seite, dem Blick auf die evangelische Stadtkirche und, für uns hier und heute interessant, auf das historische Gebäude der Marktapotheke. Beide Fotos sind in den ersten beiden Jahrzehnten nach 1900 gemacht, das untere ist jünger als das obere, was man z.B. auch an der Beschriftung von „Café Grah“ sieht. Angefangen hatte dieses Cafe mit Otto Grah, der das bereits bestehende Etablissemant mit Restaurant vom Cafetier und Conditor Richard Isenburg übernahm, übrigens ein Lennepkenner par excellence, dem wir auch Schriftliches zum Thema Lennep verdanken. Später, und daran können sich viele von uns noch erinnern, wurde das Café von zwei Brüdern mit ihren Ehefrauen betrieben. Interessant auf der rechten Seite der Fotografien ist links neben der Buchhandlung Schmitz das Ladengeschäft, auf dessen Beschriftung auf dem oberen Bild der Namenszug „Wittenstein & Stiller“ prangt, es handelte sich um ein Tuch- und Bekleidungsgeschäft, auf dem unteren Bild jedoch schon der eines Möbelhauses von Heinrich Bothe. Einst residierte in diesem Haus die Modehandlung Albert Dörrenberg, die später das uns bekannte Karstadt-Hertie-Ensemble entstehen ließ. Viele Lenneper wissen übrigens durchaus, dass die Marktapotheke auf der linken Seite der Fotos zunächst in dem früheren historischen Gebäude mit Steintreppe untergebracht war, bevor sie in den von Paul Windgassen erwähnten Anbau zog, so wie auf unserem unteren Bild nachvollziehbar. Und dass es da in Windgsssens Jugend den Kappenmacher Isken gab, dies ist bis heute ebenfalls nachvollziehbar. Im Lennneper Adressbuch von 1903 steht für den Teil des damalig Halbach`schen Hausbesitzes nämlich aufgeführt: „Karl Isken, Huthandlung“. So manches könnten uns die heute hier wiedergegebenen historischen Abbildungen noch aus der Lenneper Vergangenheit erzählen. Z.B. erblickt man auf der untersten Ansichstskarte auch ein Werbeschild von „Schuhwaren Bremicker“. Die älteren unter uns haben ja dieses Gechäft noch gut gekannt und ggf. beim Schuhkauf ihre Füße in den den heute verbotenen Röntgenschaukasten gesteckt. Für mich war es immer ein Spaß, die Füße in ein solches Pedoskop oder Fluoroskop reinzustecken. Im Gemeindebuch des Kirchenkreises Lennep aus dem Jahre 1952 finde ich noch die Anzeige“ Schuhhaus Wilhelm Bremicker, Alleinverkauf in Mercedes-Schuhen, Wetterauer Straße 2, Ruf 61450″. Das ist nun alles vorbei – aber die Wetterauer Straße gibt es immer noch, und wie wir der Presse Herbst 2019 entnehmen können, gibt es durchaus Pläne für die weitere Zukunft.
Aber tauchen wir jetzt noch einmal in die Historie ein. Das in Frage stehende Apothekerhaus steht nämlich mit der Gründungsgeschichte der Lenneper Kaufmannsgesellschaft in Verbindung. Diese Gesellschaft soll am 28. Januar 1799 dort gegründet worden sein. Die Mitglieder trafen sich dort ein- oder zweimal in der Woche, um sich bei einem Glas Wein über Neuigkeiten und Geschäfte zu unterhalten. Zunächst wurde aus Kostengründen nur ein einzelner Raum, ein Saal und ein Kellerraum gemietet. Zur weiteren Finanzierung gründete man eine Ziegelbrennerei, die allerdings nicht florierte. Im Gegenteil, man verlor bei dieser Unternehmung eine ansehnliche Summe. Immerhin hatte man 1802 noch so viel flüssige Mittel, dass man beschloss „in dieser teuren Zeit“ für die Armen Suppe zu kochen. Die aber wollte keiner essen. Daraufhin wurde dann in einem Protokoll ein Vermerk gemacht, aus dem hervorgeht, dass „der verwöhnte Geschmack der hungrigen geringen Klasse von Menschen“ verursachte, dass dieses Projekt scheiterte. Das ist vielleicht ein Hinweis für die jetzigen Investoren im 21. Jahrhundert, die ja nach den gegenwärtigen Zeitungsberichten in dem historischen Gebäude eine Gastwirtschaft, vielleicht mit Außengastronomie, einrichten wollen. U.U. wäre ja ein historisches Armensüppchen nicht unangebracht, aber schmecken sollte es schon.